Der Duft des Kopierpapiers
Der Regen prasselte sanft gegen die großen Fenster des Großraumbüros und erzeugte ein beruhigendes Rauschen, das sich mit dem leisen Gespräch der Kollegen vermischte. Lea saß an ihrem Schreibtisch, schaute kurz aus dem Fenster und seufzte leise. Der Frühling hatte begonnen, aber die grauen Wolken ließen noch keine richtige Stimmung aufkommen.
„Hast du schon den Neuen gesehen?“ fragte Sabine, die Teamleiterin, als sie an Lea vorbeiging und zwei Tassen Kaffee balancierte.
Lea schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Wie ist er denn?“
„Ganz nett. Wirkt professionell. Und er wird gleich bei dir am Platz vorbei kommen, denk ich“, antwortete Sabine mit einem vielsagenden Lächeln.
Lea zuckte mit den Schultern und vertiefte sich wieder in ihre E-Mails. Momentan fühlte sich jeder Tag wie der letzte an, ohne viel Aufregung oder Überraschungen. Doch dann roch sie es. Der Duft von frischem Kopierpapier, der ihr einen seltsamen Schauer über den Rücken jagte. In dem Moment huschte Paul, der neue Kollege, an ihrem Schreibtisch vorbei. Sie sah ihm nach, registrierte die freundlichen Augen und das sanfte Lächeln, das er jedem schenkte, der ihm begegnete.
„Kaffeepause?“ fragte Paul kurze Zeit später, als er neben Leas Platz stand. Seine Stimme war warm und angenehm.
Lea musste lächeln. „Gute Idee“, gestand sie und folgte ihm zur Kaffeeküche. Dort war es ruhig, das Summen der Maschinen und das Geräusch des tropfenden Kaffees beinahe meditativ.
„Schon eingelegt?“, fragte Paul, als sie nebeneinander an der Theke standen. Der Regen schien gegen den kleinen Ausblick der Küche fast zu musizieren.
Lea zuckte mit den Schultern. „Ja, so ungefähr. Manchmal frage ich mich, ob ich hier richtig bin.“
Paul sah sie an, seine Augen ernst und verständnisvoll. „Hat sich keiner mal gefragt, ob er im richtigen Film ist?“
Seine leise Ironie übertrug sich auf Lea, und sie lachte. „Da hast du recht.“
Die Tage vergingen, und Lea bemerkte, dass sie sich immer mehr auf Pauls Anwesenheit freute. Es war, als ob der Geruch des Kopierpapiers, den sie anfangs so kühl empfunden hatte, jetzt einen verheißungsvollen neugewonnenen Glanz mit sich brachte. Der Frühling draußen kämpfte sich in die Gänge und mit ihm auch eine Art von Erneuerung in Leas Alltag.
„Was machst du am Wochenende?“ fragte Paul einmal beiläufig, als sie auf dem Weg ins Büro ihre Schirme zusammenfalteten.
Lea zögerte. Die Routine ihrer Wochenenden war in den letzten Monaten so eingespielt. Aber in diesem Moment, mit Pauls Gegenwart direkt neben sich, wirkte alles veränderbar, frisch und neu. „Vielleicht sollte ich mal etwas Neues ausprobieren“, entschied sie impulsiv.
Er lächelte dieses warme, herzliche Lächeln, das Lea immer öfter aus dem Gleichgewicht brachte. „Wie wäre es mit einem Spaziergang? Soll ja endlich wieder sonnig werden.“
Lea nickte, die Aussicht auf einen Spaziergang mit Paul fühlte sich abenteuerlich und gleichzeitig beruhigend an.
Monate später, als der Frühling längst einem blühenden Sommer gewichen war, dachte Lea oft an diesen regnerischen Morgen zurück. Es hatte ein neues Kapitel in ihrem Leben aufgeschlagen, eingeleitet durch den unbeabsichtigt bezaubernden Duft von Kopierpapier und das sanfte Rauschen des Regens gegen die Bürofenster.
Der Gang zur Kaffeeküche war zu einem liebenswerten Ritual geworden, und ihr Schreibtisch, einst ein Ort der Wiederholung, strahlte nun eine gewisse Wärme aus. Lea und Paul hatten etwas gefunden, das im rauen Büroalltag einzigartig und wertvoll war – die unerwartete Zärtlichkeit des Gewöhnlichen. Neues beginnt oft im Gewohnten, dachte sie, als sie sich an ihn lehnte, während sie den Blick über das lebendige Treiben der Stadt genossen.




