Ein Fremder teilt eine Geschichte
Vorlesezeit: ca. 20 Minuten
Der Frühling hatte den Park mit einem zarten Hauch von Farbe überzogen. Das Vogelgezwitscher begleitete mich, während ich entlang des gewundenen Pfades schlenderte. Der Himmel war ein zärtliches Blau, gesprenkelt mit wenigen weißen Wolken, die gemächlich vorbeizogen. Eine sanfte Brise strich durch die Bäume, ließ die Blätter flüstern, als wollte der Wind eine Geschichte erzählen.
Ich folgte dem vertrauten Weg, der mich zu einer Bank führte, die Hälfte im Schatten eines alten Ahorns getaucht, während die andere Hälfte im Sonnenlicht glühte. Dort saß er, ein alter Mann mit einem freundlichen Gesicht und einem leichten Lächeln, das die Spuren eines langen Lebens trug. Neben ihm lag ein Hund, der mit halb geschlossenen Augen döste und gelegentlich ein Ohr zuckte, wenn ein besonders lautes Vögelzwitschern seine Aufmerksamkeit erheischte.
„Setzen Sie sich gern, wenn Sie mögen“, sagte der alte Mann mit einer Stimme, die warm und einladend klang.
Ich nahm das Angebot gerne an, setzte mich an das sonnige Ende der Bank und genoss die Wärme auf meinem Gesicht. Für einen Moment schwiegen wir beide, nur die Vögel und der Wind führten unser Gespräch weiter.
„Wissen Sie“, begann er nach einer Weile, „diese Bank hier hat viele Geschichten gehört. Ich komme oft her und lausche einfach dem Leben.“
Ich nickte, erfreut über die unerwartete Gesellschaft. „Es ist ein schöner Platz zum Nachdenken und Verweilen.“
Der Mann lächelte. „Ja, das ist er. Wissen Sie, vor ein paar Jahren, als ich zum ersten Mal hierherkam, war ich ein anderer Mensch. Die Welt schien so voller Hektik und Unruhe. Aber hier, auf dieser Bank, habe ich Menschen getroffen, Geschichten gehört, die mehr wert waren als all der Trubel.“
Er richtete seinen Blick in die Ferne, wo die Kinder auf einer Wiese spielten und ihr Lachen die Luft erfüllte.
„Eine Geschichte ist mir besonders im Gedächtnis geblieben“, fuhr er fort. „Eines Tages, es war ein Frühling wie dieser, kam jemand mit einer herzzerreißenden Traurigkeit hierher. Er setzte sich, so wie Sie jetzt, und begann zu erzählen. Es war eine Geschichte über Verlust und unerfüllte Träume, über Momente, die man nicht zurückholen kann.“
Seine Worte flossen langsam, mit Bedacht gewählt, und ich spürte, wie ich tief in seinen Erzählungen versank.
„Aber als er fertig war,“ der alte Mann lächelte versonnen, „da sagte er etwas, das mich bis heute begleitet: ‘Schlussendlich ist es das Hier und Jetzt, das uns lehrt. Jeder Moment, selbst der traurige, trägt einen kostbaren Kern in sich.’“
Ich blickte zu ihm und sah das Leuchten in seinen Augen. „Es hat mir den Blick auf mein eigenes Leben verändert. Plötzlich sah ich nicht mehr nur das, was verpasst oder verloren war, sondern die sanfte Schönheit in jedem flüchtigen Augenblick.“
Der Hund hob den Kopf und betrachtete uns mit einem belustigten Blick, als würde er all dies schon lange wissen und doch schweigen.
„Vielleicht sollten wir alle mehr auf die stillen Geschichten hören, die das Leben zu bieten hat“, sagte ich nachdenklich.
Der alte Mann nickte, seine Augen fest auf einen kleinen Spatz geheftet, der mutig in unserer Nähe nach Samen suchte. „Ja, denn am Ende ist jede Begegnung eine Lehre. Das Leben selbst ist der größte Geschichtenerzähler.“
Wir saßen noch eine Weile dort, still und zufrieden, begleitet vom Geräusch der zwitschernden Vögel und dem leichten Rascheln der Blätter. Schließlich erhob ich mich, dankte dem Mann für seine Worte und ging meines Weges, mit dem Gefühl, dass jeder Schritt, den ich machte, eine sanfte Melodie in sich trug.




