Der Wind erzählt den Blumen vom Tag
Vorlesezeit: ca. 12 Minuten
Der Tag neigte sich dem Ende zu, und über dem Garten sank ein goldener Schleier aus Licht herab. Der Wind, ein sanfter und freundlicher Gefährte, glitt leise zwischen den bunten Blumen hindurch. Eine kleine Blume namens Rosa schloss leicht ihre pinkfarbenen Blütenblätter und seufzte leise. »Guten Abend, lieber Wind«, flüsterte sie. »Erzähl uns, was du heute gesehen hast.«
Der Wind, der stets gern Geschichten erzählte, fühlte sich geschmeichelt. »Oh Rosa,« säuselte er, »heute gibt es viel zu berichten.«
Käfer Ben, ein kleiner, neugieriger Geselle, kroch aus seinem Versteck unter den feuchten Blättern hervor. Er streckte seine Fühler in den frischen Abendhauch und lauschte gespannt dem Wind, während die Sonnenstrahlen ein letztes Mal über den Horizont tanzten.
»Heute Morgen«, begann der Wind, »habe ich die Sonne dabei unterstützt, den Tau von den Gräsern zu trocknen. Die Luft war frisch und der Himmel klar. Die Vögel sangen ihr erstes Lied des Tages.«
Rosa seufzte wohlig. Sie liebte das Zwitschern der Vögel und stellte sich vor, wie der Wind zwischen den Baumkronen getanzt haben musste.
»Weiter im Dorf«, fuhr der Wind fort, »habe ich gesehen, wie die Kinder draußen spielten. Ihre Lachen waren wie Musik, die durch die Luft schwebte. Ich brachte ihre Drachen sanft zum Schweben.«
»Drachen?« piepste Käfer Ben aufgeregt. Er liebte Geschichten voller Abenteuer und Magie.
»Ja, Ben«, kicherte der Wind, »Drachen, die in den Himmel stiegen, getragen von der Hoffnung und der Freude der Kinder.«
Rosa und Ben schlossen ihre Augen und stellten sich die bunten Flugwerke vor, wie sie hoch oben in der Luft kreisten.
Der Wind fuhr mit gedämpfter Stimme fort. »Am Nachmittag habe ich den Bauern geholfen, die Äpfel von den Bäumen zu schütteln. Es roch so herrlich süß und frisch.«
Rosa schnupperte, als könne sie den Duft der frischen Äpfel auch hier in ihrem Garten riechen.
»Und als die Sonne begann, unterzugehen«, schloss der Wind leise, »kam ich zurück zu meinem liebsten Ort – hier zu euch in den Garten. Ich liebe es, euch beim Einschlafen zuzusehen, beruhigt von meiner sanften Brise.«
Rosa und Ben lächelten in Gedanken versunken. Der Garten, umhüllt von der Dämmerung, hüllte sich in ein friedliches Schweigen. Es war, als erzählte jeder Grashalm und jede Blume eine eigene kleine Geschichte, die getragen wurde vom Flüstern des Windes.
»Danke für die Geschichten, lieber Wind«, murmelte Rosa schläfrig. »Sie sind wunderschön.«
Käfer Ben gähnte und kroch wieder unter sein Blatt. »Gute Nacht, Wind. Gute Nacht, Rosa«, rief er leise.
Der Wind, sanft und fürsorglich, strich ein letztes Mal über die schlafenden Freunde hinweg. »Schlaft gut«, flüsterte er, bevor er sich in die kühlen Schatten der Nacht zurückzog. Alles ruhte friedlich, bereit für einen neuen, frischen Tag.




