Ein Spaziergang zum Selbstvertrauen
Vorlesezeit: ca. 12 Minuten
Der Regen fiel in sanften Schleiern auf die Stadt, verwischte die Kanten der Gebäude und machte die Luft dicht und voller geheimer Melodien. David lief mit gesenktem Blick über die glitzernden Pflastersteine der Innenstadt. Was führt mich eigentlich hierher?, fragte er sich, während das Prasseln des Regens seine inneren Zweifel zu übertönen schien. Er hielt sich an seinem Mantelkragen fest und spürte die Kälte des Herbstabends auf den Wangen.
Die Leuchtreklamen der Geschäfte warfen farbige Reflexe auf den nassen Asphalt, und David fand sich plötzlich inmitten eines farbenfrohen Schauspiels aus Lichtern und Schatten. Es war ein seltener Moment, in dem sein inneres Chaos im Einklang schien mit der äußeren Welt. Etwas in ihm begann, sich von der Schwere zu lösen.
„David?“, ertönte eine vertraute Stimme in der Nähe. Er drehte sich hastig um, und inmitten der flimmernden Regenschleier stand Lisa, die ihn mit einem Lächeln begrüßte, das die Kälte des Abends durchdrang.
„Lisa“, sagte er überrascht. „Ich hätte nie gedacht, dich ausgerechnet heute hier anzutreffen.“ Sie lachte leise, ein Klang, der von den Wänden der kalten Stadt widerhallte. „Ich könnte dasselbe zu dir sagen,“ antwortete sie sanft.
Lisa schritt an seiner Seite entlang der Straße, und der Regen formte eine Art unsichtbare Verbindung zwischen ihnen, eine, die älter war als Worte. Sie sprachen von alten Zeiten, von Dingen, die sie verloren und gefunden hatten. David fühlte ihre Wärme durch die kühle Nacht hindurch; es war, als ob die Straße sie beide in diesem Augenblick umfing und ihnen einen Ort der Zuflucht bot.
„Weißt du noch, als wir uns immer gefragt haben, wohin die Wege des Lebens uns führen würden?“ fragte Lisa, während sie ein goldenes Blatt, das auf der Straße lag, zwischen zwei Finger aufhob und es betrachtete, als wäre es ein kostbarer Schatz.
David nickte, während ihm die Erinnerung fast unmerklich ein Lächeln entlockte. „Damals schien alles so kompliziert. Jetzt ist es, als ob ich zurückblicke und nur die Schönheit sehe, die ich übersehen habe.“
Ihr Spaziergang führte sie zu einem kleinen Bistro, das einladend mit goldenem Licht durch die Fenster strahlte. „Lass uns hineingehen und etwas trinken. Ich bin sicher, dein alter Freund Mara arbeitet heute Abend hier“, sagte Lisa mit einem Augenzwinkern.
Im Inneren war es warm und behaglich. Der Kontrast zur nassen Kälte draußen war überwältigend, und David entspannte sich zum ersten Mal seit Wochen. Sie setzten sich an einen Tisch in der Ecke, und bald gesellte sich Mara zu ihnen, alte Zeiten wurden wieder lebendig.
„Du warst immer derjenige, der alles erreichen wollte, David. Hast du deinen Weg gefunden?“ fragte Mara, ohne Vorwurf in der Stimme, nur Neugier. Es war eine Frage, die ihn nicht mehr bedrückte, sondern ihn aufforderte, ehrlich zu sich selbst zu sein.
„Ich glaube, ich bin dabei, ihn zu finden,“ antwortete er, und in seinen Worten lag eine aufrichtige Hoffnung. Er erkannte, dass es die Menschen, die Momente und die Wege waren, die ihn geformt hatten. Der Regen draußen war nicht länger ein Bild der Einsamkeit, sondern eines der Erneuerung. In der flüchtigen Schönheit des Abends hatte sich etwas in ihm verändert.
Als sie das Bistro verließen, hatte der Regen nachgelassen, und ein klarer Himmel begann sich über der Stadt zu öffnen. Die nächtliche Stille wurde nur von ihren gedämpften Schritten begleitet. „Jede Dunkelheit hat ihr Licht,“ dachte David, während er zu den Lichtern am Horizont aufblickte und mit jedem Schritt ein wenig mehr Vertrauen in sich selbst fand.




