Leo sucht den Ball im Regen
Vorlesezeit: ca. 10 Minuten
Der Sommer zeigte sich an diesem Tag von seiner lebhaften Seite. Die Sonne hatte am Vormittag alles in ein goldenes Licht getaucht, doch jetzt, am Nachmittag, krochen dunkle Wolken über den Himmel. Leo, ein lebhafter Junge mit strubbeligem Haar und einem beständigen Lächeln, lief über den Spielplatz. Er war auf der Suche nach seinem roten Ball, den er gerade noch in die Höhe geworfen hatte. „Wo ist er bloß hingekullert?“, murmelte Leo und schaute sich um.
Sein Freund Ben, ein bisschen größer, mit einer Brille, die immer ein wenig schief saß, stand bereits auf dem Wipptier und schwang vor und zurück. „Hey Leo, ich helfe dir beim Suchen!“, rief er fröhlich und sprang mit einem Satz herunter. „Was wäre ein Sommertag ohne deinen Ball?“
Unterdessen hatte sich der Wind verändert. Er brachte den Duft von feuchter Erde mit sich und beinahe unbemerkt begann ein feiner Regen zu fallen. Die Tropfen platschten sanft auf das Spielplatzgerät und den Sand. Emma, das Nachbarsmädchen mit dem glänzenden blonden Zopf, kam herbeigelaufen. „Leo, Ben, es fängt an zu regnen!“, rief sie. Ihre Augen leuchteten, weil sie einen großen, grünen Regenschirm bei sich hatte, den sie triumphierend über ihren Kopf hielt.
Leo schaute hoch und lachte. „Macht nichts, Emma! Kannst du uns trotzdem helfen, meinen Ball zu finden? Ich hab ihn an den großen Strauch da drüben geworfen, aber nun ist er spurlos verschwunden.“
Zusammen machten sie sich auf den Weg zu dem Strauch, dessen Blätter im Regen leise raschelten. Der Boden war feucht und schlammig geworden, und bei jedem ihrer Schritte spritze der weiche Schlamm umher. Es war ein bisschen wie in einem geheimnisvollen Abenteuer, fanden die drei Freunde.
Emma, die manchmal ein wenig ängstlich sein konnte, hob den Schirm höher und schob vorsichtig ein paar Zweige zur Seite. „Vielleicht ist er hier drunter?“ Sie linste in das dichte Laub, aber der Ball war nicht zu sehen.
Ben kicherte. „Vielleicht ist er einer dieser magischen Bälle, die sich unsichtbar machen“, witzelte er und machte Leo lachen.
Der Regen wurde stärker und der Spielplatz bekam ein glitzerndes Aussehen, als ob er mit kleinen Diamanten übersät wäre. „Hier drüben könnten wir noch schauen“, schlug Leo vor und deutete auf eine Reihe hoher Gräser.
Plötzlich hörten sie ein Patschen und ein freudiges „Juhuu!“ Emma klatschte in die Hände und hüpfte vor Freude. Der Ball lag tatsächlich unter den Gräsern, fast verdeckt von den struppigen Halmen. Leo sprang vor, hob ihn auf und hielt ihn triumphierend in die Luft. „Hab ihn!“, rief er, seine Stimme voll Jubel.
Ben und Emma stimmten in seinen Freudentaumel ein, und sie drehten sich zusammen im feuchten Gras, bis sie kichernd zu Boden sanken. Der Regen kühlte ihre Haut, aber es war eine angenehme Kühle, die nach Sommer duftete.
Langsam ließ der Regen nach, und die Wolken begannen, aufzulockern. Die ersten Sonnenstrahlen brachen durch und verließen zarte Lichtformen auf den Pfützen, die sich wie flirrende Spiegel über den Spielplatz erstreckten. Die Kinder standen auf und Leo sagte mit einem strahlenden Lächeln: „Danke, ihr beiden. Ohne euch hätte ich den Ball nie gefunden!“
Emma schüttelte ihre nassen Haare und meinte: „Es war eigentlich ganz schön im Regen, oder?“
Ben nickte heftig und rückte seine Brille zurecht. „Ja, wir sollten es öfter im Regen spielen! Aber das nächste Mal mit Gummistiefeln!“
Die drei Freunde liefen lachend nach Hause, ihre Füße platschten in die Pfützen und ließen das Wasser in kleinen Bögen spritzen. Die Welt riechte nach nassen Blättern und Sommer. In diesem Moment fühlten sie sich unbesiegbar, gewärmt von der Freundschaft, die sie verband.
Als Leo später im Bett lag, dachte er an die abenteuerliche Suche und schloss zufrieden die Augen. Der Abendwind rauschte durch die Bäume, und Leo schlief mit einem lächelnden Gesicht ein. Der Regen, der sanft gegen das Fenster klopfte, schien ihm leise ein Gute Nacht zu erzählen.




