Eine Runde um den Block
Der Regen hatte gerade erst aufgehört, als Roya ihre Wohnung im vierten Stock verließ und die Treppen hinunter ins Freie ging. Die warme Feuchtigkeit des Sommerabends umfing sie wie eine sanfte Umarmung, während die letzten Tropfen von den Blättern der Bäume rieselten und auf den Gehweg fielen.
Roya zog den Kragen ihrer leichten Jacke hoch und näherte sich dem Stadtring, dessen Laternen einen sanften goldenen Schimmer auf die nassen Straßen warfen. Ihre Schritte waren zunächst zögerlich, als ob sie ihren eigenen Rhythmus noch nicht ganz gefunden hatte. Die Luft war erfüllt von dem frischen Duft nassen Asphalts, vermischt mit dem erdigen Aroma der Gärten, die sich hinter den schmiedeeisernen Zäunen der Altbauvillen erstreckten.
Es war eine bekannte Strecke, diese Runde um den Block, die sie schon so oft gegangen war. Und doch fühlte sich diese Nacht anders an. Es war, als ob der Regen etwas in der Atmosphäre verändert hatte, als ob alles neu und doch vertraut war.
Während Roya auf dem nassen Gehweg dahinlief, begann sich ihr Kopf zu klären. Die stetige Bewegung brachte ihre Gedanken in Ordnung, ließ sie ihre alltäglichen Sorgen und das ständige Rauschen im Hinterkopf vergessen. Ihr Atem ging ruhig, im Rhythmus ihrer Schritte, die fast hypnotisierend auf den Asphalt prasselten.
Sie kam an einem Café vorbei, dessen Fenster beschlagen waren, durch das jedoch gedämpftes Lachen und Musik nach außen drang. Für einen Moment blieb sie stehen und betrachtete das warme Licht innen, die Menschen, die in Gespräche vertieft waren und ihre Momente der Freude teilten. Roya lächelte, wandte sich ab und setzte ihren Weg fort.
Mit jedem Schritt, den sie machte, jede Ecke, die sie bog, schien sich eine neue Welt zu offenbaren. Die Stimmen der Passanten wurden zu einem gemütlichen Gemurmel, das sie weiter und weiter in Richtung eines tiefen, ruhigen Inneren zog.
Als sie am Park vorbeikam, blieb ihr Blick an einer einsamen Schaukel hängen, die noch leicht im Wind hin und her schwang. Sie dachte an frühere Zeiten, als ihr dieser Ort ein Zufluchtsort war, tagträumend und über die Zukunft nachsinnend. „Wie weit ich gekommen bin“, dachte sie bei sich und spürte eine plötzliche Wärme in ihrer Brust, eine Mischung aus Dankbarkeit und Wehmut.
Die Runde um den Block endete dort, wo sie begonnen hatte – vor dem Eingang zu ihrem Wohnhaus. Roya blieb kurz stehen, atmete tief ein und genoss den beruhigten Zustand, in den die Bewegung ihren Geist versetzt hatte. Die Dinge schienen nun klarer, weniger verworren.
Langsam stieg sie die Treppen hinauf, der Gleichklang ihrer Schritte hallte sanft gegen die Wände. An ihrer Wohnungstür angekommen, fühlte sie eine neue Energie, eine Ruhe, die sie mit in den nächsten Tag nehmen konnte.
Manchmal, dachte sie, braucht es nur eine simple Runde um den Block, um die Welt in einem anderen Licht zu sehen.




