Die kleine Präsentation
Der Abend legte sich wie ein samtenes Tuch über die Stadt, und es war bemerkenswert still im Bibliothekssaal. Die hohen Regale, vollgepackt mit Büchern, schienen die von draußen eindringende Dunkelheit zu schlucken. Tarek stand vorne, und das Summen des Beamers vermischte sich mit dem leisen Rascheln von Papier, das seine Hände nicht ruhig halten wollten.
Ein kleiner Kreis von Zuhörern hatte sich eingefunden, ihre Gesichter halb im Schatten, halb im sanften Schein des Projektors. Tarek spürte den Schweiß, der ihm langsam den Rücken hinunterlief. Es war ein vertrautes Gefühl, das Lampenfieber, das ihn regelrecht packte, wenn er vor anderen sprechen musste.
„Du schaffst das, Tarek“, hörte er die ermutigende Stimme seines Mentors in seinen Gedanken. Dieses Mantra wiederholend, ging er die Stichpunkte seiner Präsentation im Kopf durch. Es war das erste Mal, dass er dermaßen herausgefordert wurde, aus seiner Komfortzone herauszutreten.
Seine Zuhörer, eine kleine Gruppe aus Kollegen und wenigen Fremden, warteten geduldig. Ein Räuspern aus der hinteren Reihe holte ihn aus seinen Gedanken. „Alles in Ordnung?“ fragte eine freundliche Stimme aus dem Publikum. Es war Hannah, eine Kollegin, die er kaum kannte, deren aufmunterndes Lächeln ihm aber einen Moment Ruhe schenkte.
„Ja, danke. Ich bin bereit“, antwortete Tarek, indem er seine Stimme stärker klingen ließ, als er sich fühlte.
Er startete die Präsentation, und die ersten Folien tauchten an der Leinwand auf. Bilder von historischen Stadtansichten, Dokumenten und alten Fotografien, die die Entwicklung der Stadt über Jahrzehnte zeigten. Er hatte sich intensiv auf das Thema vorbereitet, wollte den teils chronischen Mangel an Wissen, den viele über ihre eigene Stadt hatten, beseitigen. Doch was ihn wirklich beschäftigte, war die Angst, die seinem Fortschritt bisher oft im Weg stand.
Mit jedem Bild erzählte er mehr, bewegte sich freier, erklärte Fakten, die ihm wichtig waren. Die anfängliche Nervosität wich einer zunehmenden Sicherheit, als er die stillen Lauscher seiner Worte sah, die ihm entgegenblickten. Stirnrunzeln wich interessiertem Aufmerken bei seinen Zuschauern. Selbst Hannahs Augen funkelten interessiert, was Tarek einen Funken Stolz verspüren ließ.
„Wisst ihr, was mich am meisten fasziniert?“, sagte er, eine Folie mit dem Bild eines alten Marktplatzes im Hintergrund beleuchtend. „Es ist die Geschichte, die geschrieben wurde, ohne dass viele sich dessen bewusst sind. Und dass wir heute hier sein können und sie wieder aufleben lassen.“
Plötzlich lockerte sich die Spannung in seinen Schultern, als er den Applaus hörte, der ihm wie ein unerwartetes Geschenk erschien. Es war kein donnernder Applaus, aber doch einer, der wahrhaft gemeint war. Tarek hielt inne, spürte die Wärme, die sich langsam in seiner Brust ausbreitete.
„Das war wirklich beeindruckend, Tarek“, hörte er Hannah im Anschluss sagen. Sie packte ihren Laptop zusammen. „Ich wusste nicht, dass jemand so viel Leidenschaft für die Geschichte einer Stadt haben kann. Vielen Dank! Wir müssen uns mal unterhalten.“
Er nickte, die Erleichterung in seinen Zügen erkennbar. „Danke, dass du da warst. Das hat mir sehr geholfen, ehrlich gesagt.“
Als die Zuhörer sich langsam erhoben und in die kühle Abendluft hinausströmten, blieb Tarek noch einen Moment zurück, die Stille des Saals genießend. Er schaute auf die leere Leinwand und den ausgeschalteten Beamer. Heute war es ihm gelungen, einen Teil seines Selbst zu überwinden, der ihn sonst zurückhielt.
„Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut laufen würde“, sagte er leise zu sich selbst, als er seine Notizen zusammenpackte. Doch ein neues, leises Vertrauen hatte in ihm Wurzeln geschlagen. Ein Beginn, dachte er, ein Beginn von etwas Größerem. Vielleicht war es nicht nur die Geschichte der Stadt, die er allmählich lernte, es war auch seine eigene.
Er trat hinaus in den Abend, die Bibliothek lag hinter ihm, und die Sterne am Himmel schienen mit ungewohnter Klarheit. Der Weg vor ihm fühlte sich heller an, als er ihn ging.




