Mond über dem Kiosk
Der Kiosk mit seinem flackernden Neonschild war eine Oase aus Farben inmitten der Vergessenheit der Nacht. Daria stand hinter der Theke und zählte routiniert das Kleingeld, während Kenan, ein regelmäßiger Besucher, seine gewohnte Flasche Limonade aus dem Kühlschrank zog. Die Luft war kühl, aber nicht unangenehm, und der Mond, groß und milchig, schien durch die trüben Fenster des Kiosks.
„Abend, Daria“, sagte Kenan mit einem Lächeln, das über den Rand seiner Kapuze blinzelte. Er war spät dran, aber er liebte den nächtlichen Spaziergang zur Tankstelle, das knirschende Geräusch seiner Schritte auf dem Kies des Hinterhofes.
„Abend, Kenan“, entgegnete sie, ohne den Kopf zu heben. Ihre Hände bewegten sich in einem stetigen Rhythmus, der ihr half, ihren Platz in der Welt zu finden, auch wenn es nur der kleine Raum des Kiosks war.
Eine Stille trat ein, die allerdings nicht unangenehm war. Der Nachtverkehr war fern, nur das leise Summen der Neonröhren und das gelegentliche Rascheln von Papier erfüllten die Luft.
Kenan trat näher an die Kasse, beobachtete die schimmernden Farben der Süßwarenpäckchen, als würden sie ein kleines eigenes Universum darstellen. „Diese Stille, sie ist etwas Besonderes“, meinte er, mehr zu sich selbst als zu Daria, die jetzt zu ihm aufblickte und nickte.
„Manchmal frage ich mich, warum mehr Leute nicht die Nacht schätzen“, sagte sie, jetzt lächelnd. „Es ist die einzige Zeit, in der die Dinge wirklich stillstehen.“
Kenan lachte leise. „Vielleicht weiß ich es jetzt. Dieser Ort, Du … es ist wie eine kleine Pause vom Rest der Welt.“
Sie warfen sich ein kurzes, verschmitztes Lächeln zu, das in der Dunkelheit zwischen ihnen glühte. Dann, ganz plötzlich, ohne an einen bestimmten Punkt zu gelangen, gesellte sich Kenan auf die Bank draußen im Hof, und Daria folgte ihm mit ihrer eigenen Flasche Saft. Die Nacht umhüllte sie wie ein sanfter Schleier, die Welt war weit, aber für einen Moment schien sie perfekt zu gliedern.
Ein leichter Wind zog auf, blies durch die kahlen Äste der nahen Bäume und hauchte ihnen ein leises Lied zu. Daria seufzte, eingehüllt in ihren Mantel, und Kenan merkte, wie ihre Anwesenheit selbst an den kältesten Abenden wie ein Hauch von Wärme war.
„Was hat dich zur Nacht verschlagen?“, fragte sie. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern im Dunkeln.
Kenan zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, es ist diese Ruhe, die man nur selten findet. Alles andere kann Warteschlangen haben, nicht wahr? Aber die Nacht … sie ist immer für dich da.“
Daria dachte an die ungezählten Stunden, die sie in der Wärme des Kiosks verbracht hatte, die gelegentlichen Interaktionen und die überraschend tiefen Gespräche mit Menschen, die sie nur an Gesicht und nicht an Namen kannte.
„Es ist irgendwie lustig, nicht wahr?“, fragte Kenan plötzlich. „Wir beide könnten an jedem anderen Ort sein, doch hier sind wir, unter diesem großen, alten Mond.“
Sie nickte und spürte eine unausgesprochene Verbindung, die sich wie ein unsichtbares Band über die Entfernung spannte. Die Nacht hielt viele Geheimnisse, dachte sie, und manchmal mussten wir nur stehenbleiben und lauschen.
Schließlich brach die Stunde heran, in der Kenan sich erhob und sich steif die Beine dehnte. „Danke für den Drink, Daria. Vielleicht sehen wir uns wieder?“, fragte er, und seine Stimme hatte einen weichen, fast hoffnungsvollen Klang.
„Bestimmt“, erwiderte sie, und ihre Worte waren mehr als nur eine Antwort. Es war eine kleine Hoffnung in der Kälte der Nacht.
Kenan lächelte ein letztes Mal, drehte sich um und wanderte in die Dunkelheit zurück. Der Nachtkiosk leuchtete weiter, still und geduldig, als Daria hineinglitt und die Tür hinter sich schloss. Die Welt war wieder im Gleichgewicht, heimlich wundervoll und ein wenig weniger einsam.




