Der geheime Pausenclub
Der Herbstwind wehte buntes Laub durch den Schulhof, während die Glocke zur Pause läutete. Kira und Nuri gingen Arm in Arm Richtung Schulbibliothek. Es war ihr liebster Rückzugsort, besonders an kalten Tagen. Sie mochten den muffigen, aber dennoch behaglichen Geruch der alten Bücher und das sanfte Knarren der Dielen im Lesesaal.
„Ob Herr Lind heute auch da ist?“, fragte Kira, als sie die großen Holztüren zur Bibliothek öffneten.
„Bestimmt. Er versäumt nie eine Mittagspause hier“, antwortete Nuri mit einem Grinsen.
Drinnen wartete schon eine Überraschung. Eine Ecke der Bibliothek hatte sich verändert. Wo zuvor eine einfache Leseecke gewesen war, hatte Herr Lind Sitzsäcke und flauschige Decken hingelegt. An der Wand funkelten kleine Lichterketten. Die Kinder sahen sich erstaunt um und spüren sofort die einladende Wärme dieses neuen Raumes.
„Ah, willkommen im geheimen Pausenclub!“, rief Herr Lind mit seiner warmen, brummigen Stimme. Er tauchte hinter einem Bücherregal auf, auf dem ein Zeichen mit der Aufschrift „Pausenclub“ balancierte.
„Das sieht toll aus!“, rief Kira begeistert. Nuri nickte heftig. „Hast du das alles gemacht?“, fragte sie neugierig.
„Ja, ich dachte, manchmal braucht man einen ganz besonderen Ort zum Entspannen“, sagte Herr Lind und rückte seine Brille zurecht. „Aber um hier bleiben zu dürfen, haben wir ein paar Regeln. Möchtet ihr mitmachen?“
Kira und Nuri nickten sofort. Der Gedanke, Teil eines geheimen Clubs zu sein, war aufregend. Sie setzten sich zu Herrn Lind, der bereits ein großes Buch vor sich liegen hatte.
„Regel eins“, begann Herr Lind, „dieser Raum ist für alle da. Jeder darf ihn nutzen, solange er oder sie ihn respektvoll behandelt.“
„Das klingt fair“, fand Kira, während sie an einer Papierschaukel auf dem Tisch herumspielte.
„Regel zwei“, fuhr Herr Lind fort, „wir helfen einander, egal ob bei den Hausaufgaben oder wenn jemand nur einen guten Zuhörer braucht.“
„Das ist wie eine große Freundschaft!”, rief Nuri aus und spürte wie ein wohliges Gefühl der Verbundenheit in ihr aufstieg.
Als letztes kam Regel drei: „Jeder hinterlässt diesen Ort so gemütlich und ordentlich, wie er ihn vorgefunden hat.“
Kira und Nuri versprachen, sich an die Regeln zu halten. Von diesem Nachmittag an wurde die Leseecke ihr geheimer Zufluchtsort, nicht nur für sie, sondern auch für viele andere Kinder.
Die Herbstwochen zogen ins Land, begleitet von kühlendem Wind und dem Rascheln des Laubs. Die Bibliothek füllte sich mit Geschichten, Lachen und flüsternden Gesprächen. Oft wurde aus dem Lernen gemeinsam Bücher lesen oder spannende Abenteuer besprechen.
Eines Tages, während die Blätter draußen leise zu Boden segelten, kam Kira mit einem Buch auf Herrn Lind zu. „Herr Lind, was denkst du, wenn wir eine kleine Bücherbastelstunde veranstalten? Ich habe im Biologieunterricht gelernt, wie man kleine Papierfiguren faltet.“
„Das ist eine wunderbare Idee, Kira! Wenn wir sie mit den Geschichten aus unseren Büchern verbinden, können wir unseren Leseraum noch lebendiger machen“, stimmte Herr Lind zu.
Bald war der Raum gefüllt mit kleinen, farbenfrohen Papierwesen, die zwischen den Büchern hervorschauten. Die Kinder freuten sich, als sie die Miniaturkreaturen betrachteten und ihren Geschichten Leben einhauchten.
An einem besonders kalten Herbstnachmittag, als Herr Lind einen dampfenden Kakao trank und die Kinder an einem Tisch zusammensaßen, schaute er über seine Brille hinweg. „Ihr habt diesen Pausenclub zu einem Ort gemacht, der mehr ist als nur eine Leseecke. Es ist ein Ort, der voller Leben und Gemeinschaft steckt.“
Nuri lächelte verlegen und Kira strahlte. „Wir könnten es ohne Sie nicht gemacht haben, Herr Lind“, sagte sie zufrieden und nippte vorsichtig an ihrem eigenen Becher warmer Milch.
Die Tage wurden kürzer und die Dunkelheit hüllte die Bibliothek immer früher ein. Aber an diesem besonderen Ort erstrahlte jeden Nachmittag ein Licht – nicht nur die Lichterketten, sondern das warme Gefühl von Zusammengehörigkeit, dass jeder mit nach Hause nahm.
Und so endete jeder Tag mit dem Wissen, dass es einen Ort gab, an den sie immer zurückkehren konnten. „Ein Ort für alle“, dachte Kira, während sie ihre Tasche schulterte und gemeinsam mit Nuri durch den inzwischen dunklen Flur der Schule schlenderte. Und sie wusste, dass der nächste Tag neue Abenteuer im geheimen Pausenclub bereithalten würde.




