Die Mondtinte
Im Kinderzimmer lag eine friedvolle Stille, nur das Ticken der alten Standuhr in der Ecke war zu hören. Draußen strahlte ein klarer Sternenhimmel und der Mond schien durch das große Fenster auf Lunas Bett. Luna kuschelte sich in ihre warme Decke und beobachtete, wie die Mondstrahlen durch den Raum tanzten.
Als sie mit ihrem Zeigefinger die kalte Fensterscheibe nachzeichnete, bemerkte sie einen silbernen Schimmer. Ein Bild tauchte auf und verschwand fast so schnell, wie es gekommen war. „Was war das?“, fragte sie flüsternd.
Da erklang ein leises Flattern. Ein kleiner Schimmerball, der wie Sternenstaub leuchtete, erschien vor ihr. „Hallo Luna“, kicherte eine sanfte Stimme. Es war Fee Orla, die winzige, lumineszierende Fee, die manchmal zu Besuch kam, wenn der Mond besonders hell war.
„Orla!“, rief Luna leise vor Freude. „Was machst du hier?“
„Ich habe etwas ganz Besonderes mitgebracht. Mondtinte!“, verkündete Orla, während sie einen winzigen Beutel aus glänzendem Silberstaub hervorzog.
Luna staunte. „Mondtinte? Was kann man damit machen?“
„Du kannst damit Wünsche aufschreiben, die im Dunkeln leuchten“, erklärte Orla. „Solange der Mond scheint, funkeln deine Worte.“
Luna hockte sich vor den kleinen Tisch, auf dem immer ein Notizbuch lag. Gerade als sie beginnen wollte, mit der Mondtinte zu schreiben, sprang Kater Muck, ihr treuer und ein klein wenig überheblicher Gefährte, leise auf den Tisch. Seine bernsteinfarbenen Augen blitzten neugierig.
„Mondtinte, wie spannend!“, miaute Muck mit einem Anflug von Majestät, als er sich hinlegte und beobachtete, was Luna nun tun würde.
Gemeinsam brachten Orla und Luna die Tinte zum Glänzen, indem sie sanft darüber hauchten. Ein leuchtender Dunst entstand, der Luna dazu inspirierte, ihren allerersten Wunsch zu schreiben. In großen, geschwungenen Buchstaben schrieb sie: „Ich wünsche mir, dass alle meine Träume voller Abenteuer sind.“
Sofort begann die Schrift zu glühen, ein sanftes Licht erfüllte den Raum. „Oh, das ist wunderschön“, flüsterte Luna, während ihre Finger leicht nach Mondstaub rochen.
Muck, der Kater, legte seine Pfote auf die Seite des Buches. „Und ich wünsche mir, dass ich in den Träumen immer etwas zu schnurren habe“, fügte er mit einem zufriedenen Schnurren hinzu.
Da sprachen die drei leise von all den Wünschen, die mit den Worten in die Nacht hinausflogen. Luna schrieb für Orla einen Wunsch, „dass der Wind die Feen tanzen lässt“, und die wunderschöne Schrift erstrahlte in silbernem Licht.
Langsam kroch eine müde Ruhe über Luna und sie legte sich wieder ins Bett. Orla blieb, um den Mond zu bewachen, während Muck sich an Lunas Seite kringelte. Der Mond strahlte warm und neugierig durch das Fenster, als wollte er die ganze Zeit der stumme Zuhörer sein.
„Was ist, wenn der Mond verschwindet?“, fragte Luna schläfrig.
„Dann schlafen die Wünsche und warten auf die nächste Nacht“, sagte Orla mit einem wissenden Lächeln.
Langsam sanken Lunas Augenlider herab, und die Sternbilder über ihr erzählten leise ihre Geschichten. Im Zimmer herrschte jene wohlige Geborgenheit, in der alle Worte anfangen, sanft zu funkeln.
Die Nacht entschwebte in einem sanften Traum, und Luna spürte die Gewissheit, dass ihre Worte, ebenso strahlend wie der Mond, immer leuchten würden.




