Der Spaziergang durch das Schneelicht
Omid zog die Kapuze seiner Jacke enger um sein Gesicht. Der Wind blies sanft, aber kalt durch den Stadtpark und ließ die Laternenlichter golden im Schnee tanzen. Jeder Atemzug war eine kleine Wolke, die sich kurz vor ihm auflöste. Es war spät am Nachmittag, die Sonne war hinter dichten Wolken verborgen und die Welt schien in ein sanftes, flirrendes Graublau getaucht.
Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln mit jenem beruhigenden Klang, der an Kindheitserinnerungen und sorglose Abende in Neuschnee erinnerte. Omid ließ seine Gedanken treiben, so wie die Flocken um ihn herum getragen wurden. Seine Hände, tief in die Taschen gesteckt, fühlten sich wärmer an, während er langsam den schmalen Pfad entlangging.
Der Park war um diese Uhrzeit fast leer, nur ab und zu passierte jemand eilig, auf dem Heimweg oder im Versuch, den Winter ebenso zu genießen wie Omid. Aber für ihn war es ein notwendiger Gang, ein bewusstes Erleben des Hier und Jetzt. Schritte, Atemzug, Schritte, Atemzug – der Rhythmus beruhigte ihn, ließ ihn mehr im Moment versinken als alle Meditationen, die er je versucht hatte.
Unweit von ihm streifte ein rötliches Eichhörnchen durch den Schnee, seine flinken Bewegungen ein Spiel mit dem Wind. Omid blieb stehen und betrachtete es, völlig verloren in der unschuldigen Unbeschwertheit des Moments. Es schien, als bliebe die Zeit stehen, als hielte der Winter selbst den Atem an.
Während er weiterging, öffnete sich der Park zu einer kleinen Lichtung, wo die weißen Bänke leer und einladend wirkten. Er setzte sich, spürte die Kälte durch den Stoff dringen, aber es störte ihn nicht. Omid schloss die Augen und lauschte dem feinen Rascheln der Zweige, die im Wind schwankten. Sein Atem wurde langsamer, ruhiger, und er fühlte, wie sich die Anspannung der letzten Tage löste. Die Gedanken, die ihn zuvor bedrückt hatten, wirkten plötzlich weit entfernt, wie Schatten aus einer anderen Welt.
Es war ein Moment purer Klarheit: Omid erkannte, dass er loslassen konnte. Dass all die Sorgen, die sich wie Knoten in seinem Geist verfangen hatten, in Wahrheit nur flüchtige Wolken waren. Sie kamen und gingen, aber sein Geist hatte die Macht, sie ziehen zu lassen.
Ein tiefes Gefühl der Ruhe umfing ihn, und als er die Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf die funkelnden Schneekristalle im Laternenlicht. Alles ergab einen Sinn, alles war verbunden – Schritte im Schnee, das sachte Schwingen der kahlen Äste im Wind, das warme Licht, das seinen Weg erhellte.
Omid erhob sich und machte sich auf den Heimweg. Jeder Schritt war ein kleines Versprechen an sich selbst, weiterzugehen, präsent zu sein. Schritt für Schritt würde er die Last der Welt weniger fühlen. Er blickte noch einmal zurück, sah die stillen, friedlichen Schatten des Parks, die im sanften Leuchten verschwanden.
Manchmal braucht es nur einen Spaziergang im Schneelicht, um zu verstehen, dass die Antworten in der Ruhe des Herzens liegen.




