Die Eule und der letzte Stern
Die Eule Nori saß in der kalten, klaren Nacht auf ihrem Lieblingsast des alten Baumes. Von dort aus hatte sie den besten Blick über den verschneiten Wald, der unter dem silbernen Schein des Mondes lag. Die Luft war frisch und klar, und überall knirschte der frisch gefallene Schnee leise unter den Pfoten der nachtaktiven Tiere.
Nori strich mit ihren großen Flügeln sanft über die eisige Rinde, während ihr Blick über den sternenübersäten Himmel glitt. Aber heute Abend war etwas anders. Ein Stern funkelte heller als alle anderen – der letzte Stern, der wie ein kleines Juwel am Horizont hing.
“Ich glaube, dieser Stern braucht unsere Aufmerksamkeit”, murmelte Nori nachdenklich und flatterte von ihrem Ast hinunter in den Schnee, um sich den Dingen genauer zu widmen.
Am Fuße des Hügels begegnete sie der Maus Pip, die aus ihrem Loch spähte. Ihre kleinen Augen leuchteten im Mondlicht. “Hast du den Stern gesehen?”, piepste Pip, während sie sich die Nase mit den winzigen Pfoten wärmte.
“Ja, und ich denke, wir sollten ihn besuchen”, antwortete Nori mit einer Mischung aus Besorgnis und Neugier.
Pip zögerte nicht lange, sondern huschte auf die Eule zu. “Ich komme mit! Jemand sollte doch den Sternen Gesellschaft leisten, wenn sie alleine sind, findest du nicht auch?”
Zusammen machten sie sich auf den Weg, die schneebedeckten Hügel hinauf, während die ersten zarten Schleier des Morgennebels sich um die Baumwipfel legten. Da trafen sie den Fuchs Karo, der gemächlich um eine Eiskristallblume schlich.
“Wohin des Weges?”, brummte Karo freundlich, während er seinen buschigen Schwanz fegte und ein paar Schneeflocken davon abstreifte.
“Der letzte Stern ruft nach uns”, erklärte Pip eifrig. “Vielleicht magst du uns begleiten?”
Sein Lächeln war breit und verschmitzt. “Ein Abenteuer mitten in der Nacht? Das kann ich mir nicht entgehen lassen!” Mit diesen Worten schloss sich Karo an.
Der Aufstieg war ruhig; nur das sanfte Wispern des Windes und der gelegentliche Ruf einer Nachteule begleiteten sie. Nori, Pip und Karo erreichten schließlich die Anhöhe, von der aus der letzte Stern besonders klar schimmerte.
Er hing so tief, dass es fast schien, als könnte man ihn berühren. Sein Licht glitzerte durch das Geäst der Bäume und tauchte die Welt in ein märchenhaftes Glühen.
Nori flatterte mit ihren Flügeln und sagte zärtlich: “Sterne sind wie Geschichten. Sie leuchten heller, wenn man sie teilt.”
Pip schmiegte sich näher an Nori und fühlte die Wärme ihrer Federn, während Karo seinen Platz fand und den Ausblick bewunderte. “Vielleicht erinnern wir uns auch daran, dass selbst ein einzelner Stern die Nacht erhellen kann”, fügte er hinzu.
Gemeinsam lauschten sie der Stille der Nacht, die nur durch ihr gedämpftes Atmen und das gelegentliche Knistern des Schnees widerhallte. Der Stern funkelte weiter, als ob er die Verbundenheit der drei Beobachter fühlte.
„Immer wenn es dunkel wird, erinnern uns die Sterne an das Licht, das auf uns wartet“, summte Nori sanft und alle drei schlossen die Augen, genossen die friedliche Ruhe und die Wärme der Freundschaft.
Als der erste sanfte Hauch des Morgens auftauchte, warfen sie einen letzten Blick in den Himmel. Der Stern begann in der unsichtbaren Sonne zu verblassen, aber in ihren Herzen würde er weiter leuchten.
Sie machten sich auf den Rückweg, die Sterne nun im Rücken, aber das Licht und die Versprechen vergangener und kommender Nächte begleiteten sie weiterhin nach Hause. Und so trotteten, huschten und flatterten Nori, Pip und Karo gemütlich durch den frisch gefallenen Schnee, geborgen und voller Vorfreude auf das nächste Abenteuer, das die Nacht bereithalten würde.




