Küsse am Fluss im Dezember
Die Flusspromenade war in das leise, frostige Leuchten des Dezembers getaucht. Die Lichter der kleinen Straßenlaternen, die sich entlang des Weges zogen, flackerten sanft im kalten Wind, der die eisige Berührung des Winters mit sich trug. Mara zog den Schal fester um sich, während sie langsam die vertrauten Steine unter ihren Stiefeln entlang ging.
Es war Jahre her, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Die Zeit hatte sie in unterschiedliche Richtungen geführt, doch irgendwie fühlte es sich an, als wäre nichts wirklich vergangen. Diese Stadt, dieser Ort, hatte die Erinnerungen an eine Jugend bewahrt, die sie beide geprägt hatte.
„Da bist du ja.“ Die Stimme traf sie aus der Stille, wie eine längst vergessene Melodie, die plötzlich wieder im Gedächtnis klang. Julius trat aus dem Schatten einer nahen Laterne hervor.
Mara lächelte scheu. „Ich dachte, du wärst vielleicht nicht gekommen.“
Er hob die Schultern in einem leichten Achselzucken, wobei eine Atemwolke in der kalten Luft entstand. „Ich weiß nicht, was mich hergebracht hat. Vielleicht Hoffnung? Oder einfach Neugier.“
„Es ist seltsam, was die Zeit mit uns macht, oder?“, fragte sie und fuhr mit der Hand die raue Oberfläche der alten Steinmauer entlang, die den Weg vom Flussufer trennte. Der Fluss selbst lag ruhig, ein stiller Zeuge ihrer Unterhaltung.
Julius nickte. „Erinnerungen verblassen nicht wirklich. Sie schlafen nur.“
Gemeinsam gingen sie weiter, schweigsam, während ihre Schritte im Echo miteinander tanzten. Die Kälte drängte sich zwischen die Worte, die sie suchten. Aber es gab auch Wärme in ihren Blicken, ein Verstehen, das die Jahre nicht getrübt hatten.
„Hast du je an damals gedacht?“ Julius’ Frage hing schwer in der Luft, begleitet von dem fernen Rauschen des Flusses.
„Jeden Winter“, gestand Mara leise. „Manchmal habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, dich zurück in meinem Leben zu haben. Aber die Realität war immer ein anderer Ort.“
Ihre Worte wirbelten im Dunkel, bevor sie von den Lichtern über ihnen verschluckt wurden. Julius trat näher an sie heran, seine Finger fanden ihren Weg zu ihren. Sie hielten in einem leichten Druck inne, der viel mehr versprach als bloße Freundschaft.
„Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, die Träume mit der Realität zu verweben“, überlegte er, seine Augen suchend in ihren.
Ein leises Lächeln zog über ihr Gesicht. „Vielleicht sollte es so sein. Vielleicht sind wir nun bereit, es richtig anzugehen.“
Die Kälte um sie herum schien mit jedem Wort nachzulassen, ersetzt durch die unerklärliche Wärme, die aus ihren Herzen strömte. Der Moment breitete sich aus wie die silbrige Oberfläche des Flusses, der jeden Laut, jeden Herzschlag zu einem ganz eigenen Lied machte.
Sie hielten inne, fühlten, wie die Zeit für einen Augenblick stillstand. Julius beugte sich vor und küsste sie zart. Es war ein Kuss voller Versprechungen und nach all den Jahren doch auch von neuer Verheißung.
Die Welt drehte sich weiter, das Wasser des Flusses zog gleichmäßig seine Bahnen, doch für Mara und Julius hatte etwas Neues begonnen. In der Kälte des Dezembers fand das Leben seinen Weg zurück in ihre Herzen.




