Die Suche nach dem verschwundenen Sternchen
Eines kalten Winterabends, als die Schneeflocken unter den Laternen tanzten und die alten Häuser der Stadt in ein sanftes Glitzern tauchten, saß Nele an ihrem Fenster. Die Luft war klar, und die Klänge der Stadt wirkten gedämpft, als würde der Schnee sie behutsam umarmen.
Nele liebte es, die Lichter in den Fenstern der gegenüberliegenden Häuser zu beobachten. Sie stellte sich vor, welche Geheimnisse und Geschichten sich hinter jedem erleuchteten Fenster abspielten. Doch an diesem Abend fiel ihr etwas auf. Ein Stern, der immer so hell am Himmel glitzerte, war plötzlich verschwunden.
Erschrocken rief Nele ihren Freund Rafi, der im Nachbarhaus wohnte. Rafi, ein kleiner Junge mit einem spitzbübischen Lächeln, war noch ganz in sein warmes Wollsäckchen eingemummelt, als er bei Nele anklopfte. “Nele, was ist denn los?”, fragte er neugierig.
“Der Stern ist weg, Rafi! Der, den wir Sternchen nennen!” Nele zeigte zum Himmel, wo jetzt nur Dunkelheit war.
“Dann müssen wir ihn suchen”, entschied Rafi entschlossen und zog seine Stiefel fester an. Nele nickte, und so schlichen sie leise durch das Haus und hinaus auf die schneebedeckte Straße.
Die Stadt wirkte verzaubert. Unter der weißen Schneedecke schimmerte alles geheimnisvoll. Die beiden Kinder stapften durch den Schnee, der unter ihren Stiefeln knirschte, und hielten Ausschau nach dem verschwundenen Stern.
Sie bogen in einen schmalen Hinterhof ein, der von den warmen Lichtern der umliegenden Fenster gesäumt war. Um sie herum war es still, nur der Wind ließ die kahlen Zweige der Bäume leise rascheln.
Neles Stimme klang hoffnungsvoll: “Vielleicht hat sich Sternchen hier versteckt?”
Gemeinsam spähten sie in jeder Ecke nach dem vertrauten Funkeln. Und dann, hinter einem alten Schuppen, entdeckten sie ein kleines, zitterndes Licht – es war Sternchen!
Der Stern fühlte sich verloren, fern vom Himmel, aber Rafi streckte die Hand nach ihm aus. “Keine Sorge, wir helfen dir zurück nach Hause!”
Nele und Rafi verstanden, dass Sternchen sich verirrt hatte. Mit vereinten Kräften holten sie eine silberne Leiter herbei, die im Hof an die Hauswand gelehnt war. Während Nele hinaufkletterte, reichte Rafi ihr liebevoll den Stern. Der kleine Himmelskörper glitzerte dankbar in ihren Händen.
Oben angekommen, hob Nele Sternchen vorsichtig zum Himmel zurück. “Gute Reise, Sternchen!”, flüsterte sie leise.
Der Stern leuchtete auf und begann höher zu steigen, bis er schließlich wieder seinen bekannten Platz am Himmel einnahm. Ein warmes Licht verbreitete sich über der Stadt, und Nele und Rafi fühlten, wie etwas Weiches und Warmes über sie strahlte.
Als sie gemeinsam nach Hause gingen, von den glühenden Fenstern zurück in ihre gemütliche Welt, bemerkten sie ein neues Gefühl von Verbindung zu den Lichtern in den Fenstern um sie herum.
Rafi sagte leise: “Manchmal sucht jemand dein Licht.”
Nele lächelte und wusste, dass sie diese Nacht nie vergessen würde. Und als sie schließlich in ihren Betten lag, begleitet von dem sanften Leuchten des zurückgekehrten Sternchens, fühlten sich ihre Herzen erfüllt von Wärme und Hoffnung.




