Der Schnee vor dem Firmeneingang
Der Wintermorgen war still, als Karim sein Fahrrad vor dem Firmeneingang abstieg. Die Luft war kalt und klar, der Schnee unter seinen Stiefeln knirschte beruhigend. Um diese Zeit war gewöhnlich noch niemand hier, doch heute entdeckte er eine einzelne Schneeschaufel im Licht der spärlichen Laterne, die über dem Eingang hing. Sie stand einsam da, als ob sie darum bettelte, benutzt zu werden.
Karim betrachtete die Schneeschicht, die sich über Nacht in einer dicken Decke verbreitet hatte. Es gab keine Fußspuren, die auf einen weiteren Frühaufsteher hindeuteten, und er überlegte kurz, ob er selbst wohl die Schaufel in die Hand nehmen sollte. Schließlich war es nicht seine Aufgabe, die Wege frei zu räumen. Doch irgendetwas in ihm, vielleicht das Gefühl des Friedens dieses stillen Morgenmoments, ließ ihn die Schneeschaufel greifen.
Mit gleichmäßigen Bewegungen begann Karim zu schaufeln. Die Arbeit war anstrengend, aber irgendwie befriedigend. Es kam ihm geradezu meditativ vor, wie der Schnee an die Seite befördert wurde und der Weg zum Eingang allmählich Gestalt annahm. Der aufgehende Morgenhimmel färbte sich in dem warmen Licht der aufgehenden Sonne, während seine Gedanken schweiften.
Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn innehalten. Er drehte sich um und sah Lisa, die Azubine, sich in ihrer dicken Jacke nähernden. Ihre Augen leuchteten im Halbdunkel des frühen Morgens. „Früh dran heute,“ sagte sie und stellte ihren Rucksack ab. „Soll ich dir helfen?“
Karim lächelte und reichte ihr ohne Zögern die Schaufel. „Ich kann eine Pause gebrauchen. Danke, Lisa.“
Lisa übernahm die Schaufel und begann engagiert zu arbeiten. Karim beobachtete sie und bewunderte die Energie und den Enthusiasmus, den sie mitbringt. Trotz der Kälte machte ihr Lächeln den Morgen irgendwie wärmer.
Als sie den Eingang fast vollständig freigeschaufelt hatten, gesellte sich Herr König, der Sicherheitsmann, dazu und streckte sich beeindruckt. „Ihr seid ja fleißig,“ brummte er und schenkte ihnen ein anerkennendes Nicken. Er ergriff seine eigene Schaufel, die er aus dem Gebäude mitgebracht hatte, mit einem schelmischen Glitzern in den Augen. „Lasst uns das hier zusammen beenden.“
Zu dritt arbeiteten sie im angenehmen Schweigen weiter, jeder in seinen Gedanken vertieft, aber doch verbunden durch diese gemeinsame, unerwartete Aktion. Die Sonne war mittlerweile über den Horizont gestiegen und goss goldene Strahlen über die weiße Landschaft. Der Schnee funkelte, und die ersten Kollegen trafen ein, jeder mit einem überraschten und dankbaren Lächeln auf dem Gesicht, als sie den geräumten Weg sahen.
Bevor Karim sich an seinen eigenen Schreibtisch zurückziehen konnte, hakte sich Lisa bei ihm unter. „Danke, dass du angefangen hast,“ sagte sie leise. „Es hat Spaß gemacht, mit dir zu arbeiten.“ Herr König nickte zustimmend. „Manchmal braucht es nur eine kleine Initiative, um einen großen Unterschied zu machen.“
Der restliche Arbeitstag verging wie im Flug. Die Atmosphäre im Büro war ungewöhnlich leicht und fröhlich, als könnten alle spüren, dass der Morgen etwas Besonderes gewesen war. Der kleine Akt des Schneeschaufelns hatte sie alle nähergebracht, hatte Verbindungen geknüpft, die während der Weihnachtsfeier, die am Abend stattfand, noch enger werden sollten.
Spät am Abend, als Karim das Büro verließ, warf er noch einmal einen Blick auf den nun dunklen Eingangsbereich. Er sah die Schneeschaufel, die nun sorgfältig beiseite gestellt, bereit auf den nächsten Einsatz wartete. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. In diesem Winter würde Schnee räumen eine neue Bedeutung für ihn bekommen haben.




