Der Yogaraum im ersten Schnee
Der erste Schnee der Saison war gefallen. Menschen eilten auf den Straßen hin und her, eingepackt in dicke Mäntel, während die Welt um sie herum in eine gedämpfte Stille gehüllt war. Hoch über den Dächern der Stadt, in einem versteckten Yogastudio, lag eine andere Art von Ruhe in der Luft.
Lena betrat den Raum vorsichtig, Fast schüchtern von der stillen Pracht, die der plötzliche Schnee draußen erstrahlen ließ. Die Panoramafenster boten einen majestätischen Blick über die verschneite Stadt und die großen Flocken, die immer dichter fielen.
Ravi, der Yogalehrer, saß bereits auf seiner Matte, umgeben von sanftem Kerzenlicht, das in Verbindung mit dem kühlen Blau des Schneelichts eine magische Atmosphäre schuf. „Willkommen, Lena“, begrüßte er sie mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. „Such dir einen Platz aus, wo du dich wohlfühlst.“
Lena nickte und legte ihre Matte in der Nähe des Fensters aus, während sie mit den anderen Teilnehmern grüßte, darunter auch Kati, die wie immer freundlich lächelte. Als alle sich für die Stunde sammelten, begann Ravi, sie durch eine Übung des Atems zu führen.
„Lasst alle Sorgen mit dem Atem entweichen“, sagte er, während er den Raum mit einer ruhigen Gelassenheit erfüllte, die die Schneeflocken wie im Einklang mit ihren Atemzügen tanzen ließ. In diesem Moment fühlte Lena, wie die Anspannung ihrer Schultern Schritt für Schritt von ihr abfiel.
Je tiefer Lena in die Posen eintauchte, desto mehr bemerkte sie, wie der Raum sie trug – wie die Kälte ihren Körper sanft umhüllte und in der Wärme der Gruppe schmolz. Die Welt draußen fiel immer mehr zurück, bis es nur noch sie und ihr Atem gab.
Nach einer Stunde, die sich wie ein stiller Tanz anfühlte, begann Kati zu sprechen. „Weißt du, Lena,“ sagte sie fast flüsternd, „ich hatte Angst, heute zu kommen – wegen dem ganzen Schneechaos. Aber um ehrlich zu sein, jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe.“
Lena erwiderte mit einem Lächeln. „Ich auch. Es ist fast so, als wäre genau hier alles, was zählt.“ Die beiden lächelten gemeinsam in die flimmernden Kerzenlichter, die der Raum in sein sanftes Licht tauchten.
Als die Klasse endete, blieb Lena noch einen Moment in ihrer Stellung, den Atem hörbar über die Lippen strömen lassend. Ravi trat leise neben sie und flüsterte sanft: „Der Atem hilft uns, uns selbst zu finden. Erlaube dir, hier zu sein.“
Sie nickte, und während sie den Raum schließlich verließ, fühlte sie sich merkwürdig leicht, als hätte sie nicht nur den Schnee, sondern auch eine Schicht alter Gedanken hinter sich gelassen.
Zurück draußen auf den Straßen war die Luft gefüllt mit einer neuen Art von Kälte, die nicht unangenehm oder verletzlich war, sondern frisch und belebt, wie das Echo von etwas, das gerade erst begonnen hatte. Es war der Beginn einer Selbstannahme, die langsam Form annahm – eine Ruhe, die nicht perfekt sein musste, um wahr zu sein.




