Begegnung im Pausenraum
Anna ließ die Tür der Büroküche leise hinter sich zufallen, das leise Klicken der Klinke war fast hypnotisch in der monotonen Stille des Nachmittags. Der Raum war in ein sanftes Licht getaucht, das durch das schmale Fenster auf der gegenüberliegenden Seite fiel. Ein Hauch von Frühlingsfrische schwebte hinein, getragen von der kühlen Brise, die aus dem leicht geöffneten Fenster wehte.
Auf der Arbeitsplatte dampfte bereits ein Wasserkocher, und Anna zog eine Hand über das kühle Edelstahl, als würde sie die Stille berühren wollen. Ihre Gedanken waren verloren in den unzähligen Aufgaben des Tages, doch für einen Moment war alles, was zählte, der Duft von frisch gebrühtem Tee.
„Oh, entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“
Anna fuhr herum, kurzatmig in der plötzlichen Erkenntnis, dass sie nicht allein war. David, ein Kollege aus einer anderen Abteilung, trat leise ein, das Lächeln auf seinem Gesicht war ruhig und doch neugierig.
„Kein Problem“, sagte Anna und erwiderte sein Lächeln, etwas verlegen über ihre Zerstreutheit. „Ich hab nur nicht erwartet, dass noch jemand hier ist.“
David trat neben sie an den Wasserkocher, seine Hand streifte flüchtig die ihre, als er danach griff. Vielleicht war es der unerwartete Moment, das gemeinschaftliche Sinnieren über zwei Tassen, die sie beide irgendwie entwaffnete.
„Ein hektischer Tag?“ fragte er beiläufig, den Blick auf das Wasser gerichtet, das zu sieden begann.
„Ein wenig“, gab Anna zu. „Das Übliche. Denkst du manchmal auch, dass es nie genug Stunden gibt, um alles zu erledigen?“
„Jeden Tag“, antwortete er mit einem Schmunzeln, das bis in seine Augen reichte. „Aber irgendwie findet man doch einen Weg, oder?“
Anna nickte, fühlte sich verstanden in einer Weise, die sie sich nicht ganz erklären konnte. David reichte ihr eine Tasse, und für einen Moment verharrten sie beide in stiller Übereinkunft, als das Wasser ihren gewählten Teebeuteln begegnete und die Aromen die Luft erfüllten.
„Nimmst du oft deinen Tee hier?“ fragte David schließlich, während sein Blick von der Tasse zu Anna wechselte und wieder zurück.
„Manchmal“, sagte sie, ihre Worte sanft und bedacht. „Es ist eine kleine Flucht aus den Fluren des Wahnsinns. Man kann hier so tun, als wäre die Zeit nicht nur ein Rinnstein, der einem durch die Finger rinnt.“
David lächelte bei dieser Vorstellung und hob seine Tasse in einer stummen Geste des Verständnisses. „Stille Momente sind selten, aber manchmal reichen sie aus, um alles andere ein wenig… heller erscheinen zu lassen.“
Ein Schweigen, so schwer und dennoch zart, legte sich über die beiden. Es war fast, als hielte die Zeit den Atem an – zwei Menschen, die einander in einem Moment begegneten, der irgendwie bedeutungsvoll war, ohne dass Worte ihn je ganz erfassen könnten.
Als Anna sich schließlich von der Arbeitsplatte abstieß, bereit, den Raum und den Zauber des Augenblicks zu verlassen, zögerte sie, um sich noch einmal zu David umzudrehen. „Danke“, sagte sie, die Einfachheit ihrer Worte durch den Ausdruck in ihren Augen ergänzt.
„Jederzeit“, erwiderte er, nickte leicht, und doch lag darin mehr, als bloße Bequemlichkeit kommunizieren konnte.
Anna verließ den Raum, fühlte sich weniger allein und doch seltsam verbunden in der Erkenntnis, dass auch kleine Begegnungen Teile eines Ganzen waren, das sich langsam zu fügen begann. Was immer der restliche Tag auch noch bringen mochte, sie nahm etwas von diesem stillen, vertrauten Moment mit, der lauter war als alles, was hätte gesagt werden können.
- Leise schloss sich die Tür hinter ihr, das Klicken der Klinke war nun ein wenig mehr als nur das Klingen von Metall. Es war ein Versprechen, dass nicht jede Stille gleich ist.
Ein stiller Moment kann lauter sein als Worte.




