Das geheime Geschenk im Treppenhaus
Draußen fielen dicke Schneeflocken sanft auf den Gehweg, während Nuri und Ella auf ihren Zehenspitzen durch das kalte Treppenhaus huschten. Es war mitten in der Adventszeit und die ganze Stadt war in eine weiße Pracht gehüllt. Der Schnee hatte sich über Nacht leise auf das Dach des alten Mietshauses gelegt und verströmte einen frischen, leicht nassen Duft, den die Kinder beim Betreten des Hauses wahrnahmen.
“Vielleicht hat der Nikolaus ein Geschenk für uns hinterlassen”, flüsterte Ella mit funkelnden Augen. Nuri nickte eifrig, während er seinen dicken, gestrickten Schal enger um seinen Hals zog.
Sie schlichen sich um die Ecke, hin zu den Briefkästen, deren rote Lackierung verblasst war und wussten, dass sie etwas erwarten könnten. Doch dieses Mal schien etwas anders. Ein kleines, hübsch verpacktes Geschenk lag still in einer Ecke des Treppenhauses. Kein Absender, kein Adressat.
„Was meinst du, wer das gefunden hat?“, fragte Nuri, während seine Finger vorsichtig über das bunte Papier glitten, das mit glitzernden Sternen verziert war.
In diesem Moment fiel ein Lichtstrahl durch das kleine Fenster über ihnen und ließ das Geschenk wie Edelsteine glitzern. „Vielleicht hat jemand es absichtlich ohne Namen dort liegen lassen“, überlegte Ella.
Quer durch die gedämpfte Klangwelt des Treppenhauses klang plötzlich ein Räuspern. Es war Hausmeister Jens, den beide Kinder gut kannten. Mit seinem alten, grauen Pullover und der verschmitzten Mütze auf dem Kopf schien er immer irgendetwas reparieren zu wollen. Nun lächelte er die beiden an. „Na, was habt ihr da entdeckt?“, fragte er freundlich.
„Ein Geschenk, aber es hat keinen Namen drauf!“, antwortete Nuri aufgeregt.
Jens schaute nachdenklich auf das Paket. „Manchmal sind die besten Geschenke diejenigen, die einfach so gegeben werden“, sagte er mit einem geheimnisvollen Lächeln und kniete sich nieder, um das Geschenk näher zu betrachten.
Ella und Nuri tauschten einen bedeutungsvollen Blick aus. In ihrem kindlichen Verständnis bildete sich irgendeine tiefere Botschaft ab.
„Vielleicht… Vielleicht ist es für jemanden, der es besonders nötig hat“, murmelte Ella leise.
Ein leises Knarren eines Fensterflügels oben ließ sie aufsehen. Der Wind brachte einen Hauch kühler, frischer Schneeluft mit sich, die Jens dazu veranlasste, schnell das Fenster wieder zu schließen. „In einem kalten Winter kann eine kleine Geste viel Wärme bringen“, sagte der Hausmeister mit einem breiten Lächeln.
Die Kinder nickten verständnisvoll und behutsam ließen sie das Geschenk wieder auf den Boden zurück. Sie spürten, dass es an Ort und Stelle seine Aufgabe noch erfüllen konnte, wer auch immer es finden mochte.
Während die Dämmerung einsetzte, wurden die Lichter in den Fensterrahmen immer heller. Draußen entfaltete sich die Welt zu einem stillen Wintermärchen. Die Kinder fühlten eine wohlige Wärme in ihren Herzen, als sie die Treppen hinaufstiegen, um den Rest ihrer Abenteuer zu planen.
„Vielleicht sollten wir zu Weihnachten auch jemandem eine Freude machen“, schlug Nuri vor, seine Augen voller Entschlossenheit.
„Ja!“, rief Ella begeistert. „So ein geheimes Geschenk könnte jedem den Tag erhellen.“
Beide fühlten die Vorfreude auf das, was sie erwarten würde. Manchmal war es genau diese unsichtbare Geste, die den Unterschied machte.
Später, während sie sich in ihre warmen Decken kuschelten, dachte Nuri an das glitzernde Papier und den Rat des Hausmeisters. „Weißt du, Ella? Manchmal braucht es kein Namensschild“, flüsterte er im Halbschlaf.
Und mit einem sanften Gefühl der Geborgenheit schliefen die beiden ein, während der Schnee draußen leise weiterfiel.




