Das Geheimnis der silbernen Blätter
Es war ein stiller Morgen im Herbst, als Nora in den Nebelwald trat. Die kühle Luft kitzelte ihre Nase und das raschelnde Laub unter ihren Füßen klang wie leises Flüstern. Über ihr zog ein Schwarm Vögel lautlos gen Süden, und der Wald stand in einem sanften Schleier, der alles umhüllte.
Nora liebte diesen Wald. Er war magisch, voller Geheimnisse und verborgener Schätze. Und heute suchte sie nach einem ganz besonderen Schatz: den silbernen Blättern, von denen ihre Oma erzählt hatte. Man sagte, sie würden im Nebel verborgen leuchten wie kleine Sterne.
“Komm, Nora. Komm zu mir”, flüsterte es plötzlich eine klare, feine Stimme. Nora drehte sich um und sah eine kleine leuchtende Gestalt über den Farnen schweben. Es war Silba, die Fee des Waldes, mit Flügeln, so zart wie Spinnweben.
“Silba!”, rief Nora erfreut. “Hast du die silbernen Blätter gesehen?”
Die Fee nickte, ihre Augen funkelten. “Folge dem Nebel. Er wird dich führen.”
Nora vertraute Silba und ging tiefer in den Wald. Bald kam ihr ein Rabe entgegen. “Krah, krah!”, krähte er frech. “Ich bin Korbinian, der Klügste im Wald. Kann ich dir helfen?”
Nora lachte. “Wenn du mich zu den silbernen Blättern bringst, wäre das großartig!”
Korbinians schwarze Augen blitzten verschmitzt. “Dieses Geheimnis kenne ich gut, aber du musst dem Nebel vertrauen. Vielleicht versteckt er mehr, als man sieht.”
Gemeinsam zogen sie weiter. Der Nebel schien stärker zu werden. Doch Nora fühlte keine Angst, nur eine seltsame Vorfreude. Der Boden war weich und moosig, und hier und da flüsterte der Wind durch die goldgelben Blätter der Bäume.
Schließlich erreichten sie eine Lichtung. Der Nebel zog sich zurück und gab den Blick frei auf einen Baum, dessen Blätter in strahlendem Silber glitzerten. Es war, als hätte jemand die Sterne vom Himmel gepflückt und hierher gebracht.
Nora stand vor dem Baum, der sie mit seiner magischen Pracht verzauberte. “Wie wunderschön…”, flüsterte sie ehrfürchtig.
Silba schwebte herbei und berührte Noras Schulter. “Es braucht Mut, den Weg durch den Nebel zu gehen. Dein Herz hat dich hierher geführt.”
Korbinian nickte zustimmend. “Der Wald belohnt diejenigen, die ihrem Herzen folgen.”
Mit einem letzten Blick auf den strahlenden Baum wandte sich Nora lächelnd an ihre Freunde. Der Tag begann nach Herbstlaub zu duften, und der frühe Nebel war nichts als ein sanfter Schleier über einem wunderbaren Geheimnis gewesen.
Als sie den Heimweg antrat, wusste sie, dass sie diesen Ort nicht vergessen würde. Die silbernen Blätter würden in ihren Träumen leuchten, genau wie heute im Nebelwald. Und die Vorfreude auf ein neues Abenteuer erfüllte sie mit Wärme.




