Der Kaffeeautomat und die Wunschliste
Der Wind pfiff durch die leeren Straßen, während draußen der Schnee tanzte. Im Inneren des großen Bürogebäudes war es warm und still. Die wenigen Nachtschwärmer, die sich durch die Gänge bewegten, hinterließen kaum Geräusche. Der Lichtschein der übergroßen Weihnachtsdekoration reflektierte auf dem polierten Boden.
Nora, eine ehrgeizige Marketingmanagerin, saß an ihrem Arbeitsplatz und wollte sich gerade eine Pause gönnen. Der Duft nach frisch gebrühtem Kaffee führte sie zum Flur. Dort, abseits der großen Fenster, stand der Kaffeeautomat, der in den späten Stunden zum heimlichen Treffpunkt der wenigen Nachteulen wurde.
Im schwachen Licht des Automaten war Ben bereits zu sehen. Er war ein IT-Spezialist, der die Abende bevorzugte, um ungestört zu arbeiten. „Hi, Nora“, begrüßte er sie lächelnd, als sie näher kam. „Auch so ein Nachtmensch?“
Nora nickte, während sie Münzen in den Automaten warf. „Manchmal hat man tagsüber einfach nicht die Ruhe, die man braucht.“
Ben kannten die meisten nur flüchtig, er war eher der stille Typ, der in den Meetings selten das Wort erhob. Doch heute Abend, im Licht der blinkenden Knöpfe des Automaten, wirkte er erstaunlich gelöst.
Der Kaffeeautomat spuckte mit einem Rattern den dampfenden Becher aus, während Nora überlegte, ob sie die Gelegenheit nutzen sollte, um den sonst so zurückhaltenden Kollegen besser kennenzulernen. „Interessante Uhrzeit für eine Kaffee-Pause“, bemerkte sie, die erwartungsvolle Stille zwischen ihnen füllend.
„Nachtschichten sind meine Ruheinsel“, antwortete Ben, seine Hände in den Taschen versenkt. „Kein Trubel, kein ständiges Telefonklingeln. Nur ich, der Bildschirm, und mein bester Freund hier.“ Er klopfte auf den Kaffeeautomaten.
Nora lachte leise. „Dann hoffe ich, dass eure Freundschaft noch lange hält,“ erwiderte sie. Doch ihre Gedanken schweiften ab, als ein vertrauter Duft über den Flur wehte. Es war nicht nur der Kaffee – ein Hauch von Zimt und Apfel legte sich wie ein unsichtbares Band um ihre Nasenspitze.
Elena erschien, die Putzkraft, die zwischen den Tischen und Arbeitsstationen umherschlurfte und dafür sorgte, dass das Chaos des Tages einem frühen Neuanfang wich. Ihre Ankunft wurde von einem betörenden, aber leisen Singen getragen. Es lag eine Seltsamkeit in ihrer Stimme – ein sanftes Trällern im Zusammenspiel mit dem summenden Geräusch des Staubsaugers.
Nora winkte. „Guten Abend, Elena. Scheint als wären wir alle Teil dieser nächtlichen Gemeinschaft.“
Elena lächelte entzückt und schaltete das Gerät ab. „Ach, diese Momente sind mir die liebsten. Irgendwie zaubern die wenigen von uns, die hier nachts arbeiten, eine ganz eigene Atmosphäre.“
Ben ergänzte: „Das hier ist mehr als nur ein Arbeitsplatz, versteht mich nicht falsch. Aber nachts, hier, da reden Wände.“
Nora nickte nachdenklich und dachte über die Worte nach. „Vielleicht sehen wir Dinge, die andere übersehen.“
Eine schrille Melodie unterbrach den Moment – es war Elenas Handy. Sie ging ein paar Schritte zur Seite, um das Gespräch leise zu führen.
Während Elena sprach, entfloh Ben ein Seufzen. „Ich frage mich manchmal, wie wir es schaffen, Elena so wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Ohne sie hätten wir hier täglich das blanke Chaos.“
Nora sah nachdenklich auf den Automaten. „Ich glaube, es ist wie bei diesem Ding hier. So lange es funktioniert, denkt keiner darüber nach, wie viel Arbeit wirklich dahintersteckt.“
Ben nickte zustimmend. „Vielleicht sollten wir das ändern.“
Elena kehrte zu ihnen zurück und entschuldigte sich für die Störung. Ben und Nora tauschten einen Blick aus und beschlossen zeitgleich: „Lass uns an Weihnachten etwas organisieren. Einen kleinen Dankeschön-Abend für Elena und die anderen ‘Unsichtbaren’.“
Der Gedanke nahm schnell Formen an, und bald saßen sie zusammen bei einer heißen Tasse Kaffee und sprachen über mögliche Überraschungen. Pläne wurden geschmiedet, Notizen gemacht und Ideen ausgetauscht. Als das Licht im Bürogebäude endlich abgeschaltet wurde, hinterließ es einen unausgesprochenen Vertrag zwischen ihnen.
Die Nacht wich langsam dem Morgen, und während die Stadt erwachte, stand das Trio erneut am Kaffeeautomaten, ein symbolisches Abbild ihrer eigenen Reise – von flüchtigen Bekanntschaften zu verschworenen Verbündeten. In diesen stillen Stunden, im Schatten des Alltäglichen, hatten sie ein neues Kapitel begonnen.
Doch das war eine andere Geschichte; eine, die noch erzählt werden wollte.




