Der Schatten hinter dem Eislaufplatz
Der Wind zog eisige Finger über den nächtlichen Eislaufplatz, während Lea in ihrer Uniform die Umkleiden überprüfte. Der winterliche Abend hielt die Menschen nicht von einem Ausflug auf die Eisbahn ab, auch wenn ein Gefühl der Kälte bedrückender war als üblich.
Im grellen Licht der Pausenhalle zog die Polizistin ihre Handschuhe fester, als sie die vertrauten Stimmen der Eisläufer hörte, die zwischen Lachen und Flüchen schwankten. Es war ihre Schicht, doch heute war etwas anders. Die Schatten schienen lebendiger, hartnäckiger.
„Alles in Ordnung?“ fragte Tom, der Wachmann. Sein Gesicht war von demselben grauen Licht beleuchtet, das die karge Beleuchtung des Parkplatzes verursachte. Lea nickte.
„Ja, nur sonderbar. Irgendetwas fühlt sich… falsch an“, antwortete sie leise.
Gemeinsam gingen sie die Runde um die Eisbahn, vorbei an aufgeregten Familien und entwischten Teenagern, deren Lautstärke ersterben konnte, wie der Wind die dünnen Stimmen in den Himmel trug.
„Schau dort drüben“, sagte Tom plötzlich, seine Augen richteten sich auf den Rand des Eises, wo eine Gestalt schlank in einem langen Mantel verharrte, eins mit den Schatten, unsichtbar für das ungelernte Auge.
„Wer ist das?“ fragte Lea und bemerkte das Kältegefühl in ihrer Bauchgegend, als sie zur Gestalt schaute.
Keiner von ihnen antwortete, sondern beide beobachteten weiter. Die Gestalt bewegte sich schließlich, schritt zum Ausgang, und Lea folgte ihren eigenen Instinkten, die sie nicht täuschen durften.
Als sie die Umkleide erreichte, fühlte sie die intensivere Wärme des geschlossenen Raumes. Stimmen hallten abseits, doch der Mantelträger blieb unnahbar, am Rande des Lichtkegels von Leas Taschenlampe.
„Sie sollten hier nicht allein stehen“, sprach Lea ruhig und trat der Gestalt entgegen. Es war ein Mann, aschfahl und doch ernst. „Es gibt Gerüchte… und Ungeschriebeneres in der Nähe.“
Sein Gesicht wandte sich zu ihr. „Ich weiß. Deshalb bin ich hier.“
Im flüchtigen Licht hatte er ein Gesicht, das sowohl Angst als auch eine Art Kenntnis vermittelte; jemand mit einer Geschichte, die er zu erzählen gewillt war. Zwischen den Stühlen und Spinden bot sich ein kurzer Austausch an.
„Das Ungeschriebene?“
„Ich habe… Dinge gesehen. Vorsicht. Nicht jeder ist, wer er zu sein scheint. Die Schatten wogen schwer in dieser Zeit.“
Leas Herzschlag stockte, während sie den Unbekannten einprägte. Doch die Alltäglichkeit verließ nicht vollständig den Hinterhof des Bewusstseins, und sie holte tief Luft ein um zu verstehen.
„Sind Sie in Gefahr?“
Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht, eins ohne Humor, und mehr sagend als jede ernsthafte Antwort einfordern könnte. „Nicht ich. Eher das, was Sie nicht erahnen möchten.“
Wie er diese Worte sprach, erhob sich die Kälte intensiver im Raum und das Licht flackerte bedächtig, als könnte es seine eigene Last nicht länger tragen.
Als Lea aufblickte, sah sie, dass der Mann verschwunden war, wie eine Erleuchtung, die kommen und gehen durfte.
Später in dieser Nacht, während sich die Eisläufer zerstreuten und das Eis stumm darauf wartete, in den nächsten Tag zu gleiten, verweilte ein Gefühl der Unbequemlichkeit dennoch unter den Menschen. Noch einmal gingen Tom und Lea die Strecke ab, diesmal leiser, vorsichtiger.
„Siehst du, es ist nicht immer, was es scheint“, flüsterte Leas Stimme in den Wind. Tom nickte, die Spannung war wahr. Der Schatten hinter dem Eislaufplatz hatte ihnen eine Lektion erteilt, die über die Sichtbarkeit hinaus ragte.
Als sie den Parkplatz erreichten und Lea in die Kälte zurückkehrte, wusste sie, dass die Stadt in einem latent anderen Licht erstrahlte als sie zuvor vermutet hatte. Die Sensibilität förderte Sicherheit inmitten des verborgenen Verlangens jedes Schattens.
Und noch während sie das Auto bestieg, hallte das ungesagte Wissen durch die Nacht. Weggucken war keine Option – nicht in dieser Welt, wo die Schatten hinter jedem Eislaufplatz lauern konnten.




