Der Spatzenchor am Dach
Der Frühling hatte den Altstadtinnenhof mit einem zarten grünen Schleier überzogen. Auf dem Dach der kleinen Häuser sammelten sich Regentropfen von der Nacht zuvor, glänzten im Morgenlicht und bildeten leise Tropfenmelodien in den Regenrinnen.
Lilo der Spatz saß auf dem Dachfirst, die Federn aufplusternd, als die ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne ihn erreichten. Neben ihm trippelte Rumo, neugierig in alle Richtungen spähend. “Heute ist der perfekte Tag für ein Konzert!” meinte Rumo begeistert und schnippte mit den Flügeln.
“Da hast du recht, Rumo”, piepste Lilo und die beiden Spatzen lachten mit einem glockenhellen Zwitschern.
Während sie sich versammelten, flatterten immer mehr Spatzen aus allen Richtungen herbei. Sie landeten elegant und mit fröhlichem Geplapper auf dem alten Dach, das sanft nach Feuchtigkeit duftete.
Unten im Innenhof arbeitete Schornsteinfeger Bea. Ihre Leiter lehnte an der Wand, während sie den alten Mauern entlang spazierte. Eine leichte Brise, gefüllt mit dem verspielten Duft von Frühling und nasser Erde, wehte ihr um die Nase. Sie blickte nach oben und hob voller Freude die Hand zum Gruß. “Na, ihr fröhlichen Sänger da oben!” rief sie lachend.
Lilo zwitscherte fröhlich zurück: “Gute Morgen, Bea! Heute wird ein besonderer Tag.”
Der Spatzenchor begann sich zu formieren. Jeder Zirpen und jedes Zwitschern fügte sich zu einer Melodie zusammen, die munter und leicht über die Dächer wehte. Sogar der Wind hielt einen Moment inne, um dem zauberhaften Konzert zu lauschen.
Doch plötzlich verstummte der Chor. Ein zaghaftes Piepsen erhob sich aus der Stille – es war ein junges Spatzenmädchen, das noch nie zuvor so hoch oben gesungen hatte. Lilo und Rumo tauschten einen ermutigenden Blick und beide flogen zu ihr.
“Was ist los?”, fragte Lilo freundlich.
“Ich habe noch nie so vor vielen gesungen”, gestand sie leise.
“Da bist du nicht allein!” zwitscherte Rumo fröhlich. “Jede Stimme macht unseren Chor besonders. Möchtest du es nicht noch einmal versuchen?”
Das Spatzenmädchen schaute auf, und ein wenig Mut glühte in ihren Augen. Mit einem tiefen Atemzug setzte sie nochmal an, und diesmal fügte sich ihre Stimme wundervoll in die Melodie ein.
Die anderen Spatzen setzten erneut ein, und ihr Lied schwang sich höher und höher, eine fröhliche und farbenfrohe Symphonie, die das ganze Viertel erfüllte.
Schornsteinfeger Bea legte eine Hand über die Augen, um gegen die strahlende Sonne zu blinzeln, und versank ganz in den Klängen, die wie ein Frühlingslied klingen, das die Luft mit neuem Leben erfüllte.
Der Chor sang bis die Sonne höher stieg, und als der letzte Ton verklang, war die Luft erfüllt mit einem Gefühl der Geborgenheit und Freude, das noch lange in den Herzen der kleinen Sänger und der Menschen im Innenhof nachhallte.
“Bis morgen, Bea!”, verabschiedete sich Lilo fröhlich, während ein sanfter Windzug über die Dächer strich und die Melodie mit sich trug.
“Jede Stimme zählt”, dachte Lilo beim Einschlafen, eingekuschelt unter einem weichen Gefiederhimmel, während die Stadt langsam zur Ruhe kam.




