Der verlorene Handschuh am Markt
Der Duft von gebrannten Mandeln und heißem Glühwein erfüllte die kühle Winterluft und mischte sich mit dem leisen Klang von Weihnachtsliedern, die von einem kleinen Orchester am Ende des Marktes gespielt wurden. Dicht gedrängt schoben sich die Menschen durch die Gänge des Weihnachtsmarktes, jeder Zentimeter der knirschenden Schneedecke mit Spuren von Stiefeln übersät.
Nuri zog seinen Schal höher und genoss die Atmosphäre, während er die roten und grünen Lichter bestaunte, die über den Ständen funkelten. Jedes Mal, wenn er diesen Markt besuchte, fühlte es sich an wie eine kleine Flucht aus dem Alltag. Seine Augen huschten über die Auslagen der Händler, die handgefertigte Dekorationen und regionale Delikatessen anboten.
Plötzlich blieb er stehen. Etwas stach aus dem Schneematsch hervor – ein einzelner Wollhandschuh, rot und sorgfältig gestrickt, als hätte jemand ihn absichtlich hier platziert. Nuri bückte sich, um ihn aufzuheben, und fragte sich, ob die Besitzerin vielleicht in der Nähe war.
“Haben Sie was verloren?”
Erschrocken drehte er sich um und sah in die warmen, braunen Augen einer jungen Frau, die nur wenige Meter von ihm entfernt stand. Sie trug einen weiten, cremefarbenen Schal und einen Mantel in einem hellen Grauton, der zarte Schneeflocken auffing. Ihr Lächeln war freundlich und offen.
“Äh, nein. Ich habe diesen Handschuh hier gefunden,” erklärte Nuri und hielt ihn hoch. “Vielleicht gehört er Ihnen?”
Sie schob sich durch die Menge zu ihm, ihr Interesse unumwunden. “Nein, meiner ist es nicht, aber er sieht schön aus. Ich frage mich, ob wir die Besitzerin finden können. Hier ist so viel los, dass man leicht etwas verlieren kann.”
Nuri lächelte zurück. “Es wäre schade, wenn so ein schöner Handschuh einfach in Vergessenheit geraten würde. Vielleicht sollten wir ihn bei einem Stand abgeben, falls jemand danach fragt.”
Sie nickte zustimmend. “Eine gute Idee. Ich heiße übrigens Clara.”
“Nuri,” antwortete er, und sie schüttelten ihre behandschuhten Hände, ihre Haut im Stoff verborgen, doch die Geste fühlte sich dennoch warm an.
Gemeinsam bewegten sie sich durch die Menschenmenge, Nuri mit dem Handschuh sorgsam in der Manteltasche. Auf dem Weg unterhielten sie sich über alles Mögliche – von den besten Plätzen auf dem Markt bis hin zu ihren liebsten Weihnachtsfilmen. Es war erstaunlich einfach, mit Clara zu sprechen. Ihre Neugier und Energie waren ansteckend, und Nuri ertappte sich dabei, wie er völlig in ihren Worten aufging.
“Weißt du,” sagte Clara, als sie vor einem Stand mit dampfenden Heißgetränken anhielten, “manchmal glaube ich, dass der Weihnachtsmarkt ein bisschen magisch ist. Er schafft es, Menschen zusammenzubringen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären.”
Nuri nickte nachdenklich. “Vielleicht war das Finden des Handschuhs so ein magischer Moment?”
Sie lachte verhalten. “Wer weiß? Vielleicht ist es ein Weihnachtswunder.”
Während sie heiße Schokolade tranken, umhüllte sie eine wohltuende Wärme, die gegen die Kälte von draußen ankämpfte. Die Musik der Blaskapelle wurde von einem leichten Schneefall begleitet, der die Lichter in millionen kleine Sterne verwandelte. Es war ein Moment, den Nuri gern festhalten wollte, eine kleine Blase aus Zeit, eingefroren im Winterlicht.
Als sich der Markt langsam leerte und die Händler begannen, ihre Stände zu schließen, gaben Nuri und Clara den Handschuh tatsächlich bei einem Stand ab. Ein kleiner handgeschriebener Zettel, den Clara liebevoll an den Saum geheftet hatte, erklärte, dass hier jemand seinen verlorenen Handschuh abholen konnte.
„Ich hoffe, sie wird ihn finden“, sagte Clara und verstaute die Bänder ihres Schals unter dem Mantelkragen.
Nuri schaute sie an, ein seltsames Gefühl der Dankbarkeit durchströmte ihn. „Vielleicht sehen wir uns ja wieder, wenn du das nächste Mal nach deinem roten Handschuh suchst.“
Sie lachte, und ihr Lächeln spiegelte die Freude der Lichter wider. „Ja, vielleicht. Frohe Weihnachten, Nuri.”
„Frohe Weihnachten, Clara.“
Er sah ihr nach, wie sie sich durch die letzten Besucher schlängelte und dann in der Menge verschwand. Ein wenig später machte sich auch Nuri auf den Heimweg, den anderen Handschuh fest in seiner Tasche. Ein kleiner Fund auf dem Weihnachtsmarkt hatte ihm einen Abend geschenkt, der viel mehr Wärme und Schönheit barg, als er erwartet hatte.




