Der verlorene Schal auf dem Marktplatz
Es war ein kalter Nachmittag im Winter. Der erste Schnee fiel leise auf die Dächer der Stadt und überzog die Straßenecken mit einer zarten weißen Decke. Kian, ein neugieriger Junge mit funkelnden Augen, und seine beste Freundin Lotta, deren Lächeln wärmer war als jeder Schal, den sie trug, zogen aufgeregt durch den Weihnachtsmarkt. Die Lichterketten glitzerten wie Sterne über den duftenden Buden, wo frischgebackene Lebkuchen und heiße Schokolade die Luft erfüllten.
„Schau, das Karussell dreht sich schon!“, rief Kian und zeigte auf die prachtvoll bemalten Pferde, die im Kreis tanzten.
Lotta griff nach Kians Hand. „Lass uns erst die neue Schneekugel bei Frau Blum kaufen. Opa wird sich so freuen!“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg durch die Menge, vorbei an singenden Chören und funkelnden Laternen.
Mitten im bunten Treiben hielt Lotta plötzlich inne. „Kian, sieh mal!“, flüsterte sie und deutete auf den Boden. Dort lag ein sanft schimmernder, roter Schal, der sich im Schnee abzeichnete. „Wer den wohl verloren hat?“
Kian hob den Schal auf und fühlte die weiche Wolle in seinen Händen. „Der gehört bestimmt jemandem. Sollen wir ihn zum Fundbüro bringen?“
„Oder vielleicht kennt Frau Blum den Besitzer,“ schlug Lotta vor, und gemeinsam schlängelten sie sich durch die geschäftigen Menschen zu der freundlichen, älteren Dame, die in ihrer warm beleuchteten Holzlaube ihren berühmten Marzipan anbot.
„Guten Abend, Frau Blum!“, riefen sie im Chor. Die Dame drehte sich mit einem Lächeln um, ihre Wangen rötlich vor Kälte.
„Guten Abend, ihr beiden! Was habt ihr denn da gefunden?“
„Einen wunderschönen Schal,“ erklärte Lotta und hielt ihn hoch. „Ein wenig verloren, glaube ich.“
Frau Blum strahlte. „Ach, ja! Der gehört doch der Frau von der kleinen Buchhandlung, die neben mir ihren Stand hat. Sie war ganz traurig, als sie ihn vermisste.“
Aufgeregt folgten Kian und Lotta Frau Blum zur Buchhändlerstande. Dort trafen sie eine freundliche Frau mit funkelnden Augen.
„Oh! Mein Schal!“, rief die Frau erleichtert. „Ich habe ihn überall gesucht. Ihr lieben Kinder, wie kann ich euch danken?“
„Es war gar nichts“, antwortete Kian schüchtern.
Lotta fügte hinzu: „Es ist schön, dir helfen zu können.“
Rührend drückte die Frau den Schal an sich. „Wisst ihr, dieser Schal war ein Geschenk von meiner Großmutter. Er hält nicht nur warm, sondern schenkt auch viele Erinnerungen.“
Die Kinder lächelten und fühlten das Herz ihnen warm werden, als die Frau ein kleines Geschenk aus ihrem Stand kramte: eine prachtvolle Schneekugel. „Bitte nehmt dies als kleines Dankeschön.“
Erfreut nahmen Kian und Lotta die funkelnde Kugel entgegen. „Vielen Dank!“, riefen sie unisono und verabschiedeten sich mit herzlichem Winken.
Die Heimreise fühlte sich wie ein Tanz auf glitzerndem Schnee an. Der Abend neigte sich dem Ende zu, und als die Sterne auf dem Heimweg über ihnen strahlten, drehte sich Lotta zu Kian. „Heute war ein magischer Tag, nicht wahr?“
Kian nickte und drückte die Schneekugel fest an sich. „Ja, und es ist schön zu wissen, dass ein kleiner Akt der Freundlichkeit so viel bewirken kann.“
Mit leisen Schritten und einem leichten Herzen kehrten sie nach Hause zurück, die Winterluft frisch auf ihren Wangen. Der Abend auf dem Weihnachtsmarkt war ein sanfter Schleier aus Lichtern und Wärme gewesen, und als sie in ihren warmen Betten lagen, wussten sie, dass der nächste Morgen neue Wunder bereithalten würde.




