Der verschlossene Fischer
Es war ein warmer Sommerabend, als ich beschloss, zum Seeufer zu gehen. Die Luft war schwer von der Hitze des Tages, und doch versprach der herannahende Abend Kühle und Ruhe. Ich suchte die Stille, die nur das sanfte Plätschern des Wassers bieten konnte, ungestört von den hektischen Geräuschen der Stadt.
Der Pfad zum See war von großen Schattenspendern gesäumt, die das Licht in tanzenden Mustern auf den Boden malten. Ich folgte ihm langsam, während sich die goldenen Strahlen der sinkenden Sonne wie flüssiges Licht auf dem Wasser ausbreiteten.
Am Ufer angekommen, setzte ich mich ins Gras, fühlte die Erde unter mir und sog den Anblick auf: Das Wasser glitzerte und spiegelte den tief orangefarbenen Himmel wider. In der Ferne zeichnete sich die Silhouette eines kleinen Ruderbootes ab. Ein alter Mann saß darin, ein Fischer, wie es schien. Sein Boot bewegte sich träge auf dem glatten See.
Ich kannte ihn nicht, doch seine Gestalt wirkte vertraut. Vielleicht war es seine Einfachheit, die Ruhe, die er ausstrahlte, wie jemand, der das Leben in seiner stillsten Form zu verstehen gelernt hatte. Und während ich dem Säuseln des Windes lauschte, das leise Rauschen der Blätter im Ohr, drängten Gedanken an die Oberfläche, die lange verborgen geblieben waren.
Ich fragte mich, was ihn wohl an diesem sonnengeschmückten Abend auf den See geführt hatte. In meinem Inneren formte sich der Wunsch, ihm zu begegnen, seine Geschichte zu hören. Also entschloss ich mich, ihm zu folgen. Mit langsamen Schritten umrundete ich das Ufer, bis ich schließlich nah genug bei seinem Boot war, um ihn zu rufen.
Er hob den Kopf, als ich seinen Namen nannte, den ich vermutete. Ein leises Lächeln spielte auf seinem Gesicht, als er mich freundlich heranwinkte.
Im Gespräch, das sich in der Stille zwischen uns entspann, erfuhr ich, dass der Fischer hier jeden Abend sein Glück versuchte, wenngleich er schon lange nichts mehr gefangen hatte. Es ging ihm nicht mehr um den Fang, sagte er, sondern um die Zeit des Wartens, die Teil seines Lebens war, ein Moment der Klarheit. Mit jedem Wort wurde mir klarer, was für eine kostbare Lektion, was für eine schlichte Wahrheit in seinen Gewohnheiten lag.
Wir blieben lange sitzen, sprachen wenig. Es war, als würde die Stille uns mehr sagen, als ungesprochene Worte könnten. Der Wind brachte den Duft von Wasser und Holz mit sich, und mit der Dämmerung kam eine friedvolle Dunkelheit, die alle Ecken des Sees ummantelte. Es erinnerte mich an all das, was ich in der Hektik des täglichen Lebens vermisste.
Schließlich verabschiedete ich mich, dankte ihm und machte mich auf den Rückweg. Der Mond erhob sich nun langsam über den Horizont und tauchte die Landschaft in silbrige Töne, abgelöst von der Sonne und bereit, die Nacht zu wärmen.
Als ich den Pfad zurückging, begleitete mich eine tiefe Ruhe. Die Begegnung mit dem Fischer hatte etwas in mir entfacht, eine Sehnsucht nach innerer Stille, die ich mir bewahren wollte. Mein Herz fühlte sich leichter an, befreit von der Last des ständigen Drängens und voller Hoffnung auf die kommenden Tage.
Dieser Abend am See hatte mir gezeigt, dass die Suche nach Frieden oft in der Stille beginnt und endet. Und so beschloss ich, jeden Abend zumindest einen Moment in dieser Stille zu verbringen, um das Wesentliche zu hören.
Ich ging langsamer heim, bewusster, jeden Schritt aufnehmend, während die Welt um mich nach und nach in der Dunkelheit verschwand. Die letzten Strahlen der Sonne hatten ein Lächeln auf mein Gesicht gezaubert, das die Dunkelheit nicht mehr abzunehmen vermochte. Und so ging ich, mit dem Versprechen an mich selbst, die Stille sprechen zu lassen, sobald der nächste Abend anbrach.




