Die Bewerbung im Adventskalender
Der Winter hatte sich mit seiner vollen Kraft auf die Stadt gelegt und deckte sie mit einem Schleier aus Schnee und Stille zu. Rafael saß alleine in seiner kleinen Wohnung. Die Heizung lief auf Hochtouren und die Kerzen auf dem Tisch flackerten in einem unruhigen Tanz der Hoffnung.
Luisa, seine Freundin, hatte einen einzigartigen Adventskalender für ihn gebastelt — aus Zeitungspapier und bunten Bändern. An jedem Tag, festliche Gedanken und kleine Aufgaben, die sie aus ihrer gemeinsamen Zeit gesammelt hatte.
„Rafael“, flüsterte Luisa am Telefon, während ihr Atem ein sanftes Rauschen im Hörer hinterließ. „Öffne das erste Türchen und halte den Kopf hoch. Egal was passiert, ich bin bei dir.“
Er lächelte schwach und tippte mit dem Finger den ersten Umschlag ab. Eine kleine Karte fiel heraus. „Zähle deine Erfolge im vergangenen Jahr auf“, las er leise und folgte der Anweisung mit skeptischem Blick. „Es waren nicht viele,“ murmelte er einsam in der Stille des Raumes.
Die ersten Fenstertage des Kalenders brachten einfache Aufgaben, kleine Schritte zur Selbstreflexion. Aber es war der sechste Dezember, der Nikolaustag, an dem eine Aufgabe seine Routine erschütterte: „Vereinbare einen Termin mit einem Karriere-Coach.“
Herr Stein, ein altgedienter Coach im Coworking-Space von nebenan, begrüßte Rafael mit einem warmen Lächeln. „Bitte, nimm Platz. Wir sollten zuerst versuchen, zu verstehen, wo die Barrieren in deinem Kopf liegen,“ schlug Herr Stein vor. Die Sitzungen mit ihm öffneten für Rafael neue Perspektiven, Wechsel im Denken und Erkennen eigener Stärken.
Der Adventskalender führte Rafael jeden Tag ein Stück weiter: Sich zu motivieren, seine Anwendungen zu überarbeiten, kleine Erfolge zu genießen und seine Ziele klarer zu formulieren. Seine Beziehung zu Luisa blieb ein kraftvoller Anker in stürmischen Zeiten.
Die letzte Woche begann mit einer besonders hoffnungsvollen Aufgabe im Kalender. „Schreibe auf, was du anderen beibringen könntest.“ Rafael dachte lange nach und erkannte, dass er mehr zu bieten hatte, als er sich bisher eingestanden hatte.
Am 24. Dezember saß Rafael mit einer Tasse heißer Schokolade auf seinem Sofa, das letzte Türchen auf den Knien. Luisa war zu ihm gekommen, um gemeinsam den Heiligabend zu verbringen. Ihre Finger streichelten sanft durch seine dunklen Haare. „Du hast es weit gebracht,“ sagte sie stolz, als er die letzte Karte öffnete: „Hinterlasse einen bleibenden Eindruck bei deinem Gesprächspartner.“
Später an diesem Abend griff Rafael zu seinem Handy, sah die Einladung für ein Vorstellungsgespräch im neuen Jahr und wusste, dass dieser Adventskalender nicht nur ein Spiel war, sondern eine sanfte Reise zu etwas Größerem — zu sich selbst.
Luisa küsste seine Stirn. „Wir schaffen das, Rafael.“ Und während der Schnee draußen leise fiel, schloss Rafael die Augen und ließ den inneren Frieden in sich kehren.




