Die flaumigen Schneeflocken tanzten vor den Fenstern wie kleine weiße Sterne. In der Küche saß Johanna am großen Holztisch, eine Tasse dampfenden Tees vor sich. Der Duft von Zimt und Vanille umschmeichelte sanft ihre Sinne, während sie über die vergangene Woche nachdachte.
Vor ihr lag ein Notizbuch, das schon etwas abgenutzt wirkte. Sie hatte es vor Jahren als ein Geschenk von Maren bekommen, ihrer besten Freundin. ‘Eine Dankbarkeitsliste,’ hatte Maren gelächelt, ‘für all die kleinen Dinge, die wir oft übersehen.’
Nele, Johannas zwölfjährige Tochter, betrat die Küche, gefolgt von einem geheimnisvollen Glitzern in ihren Augen, das nur Kinder in sich tragen können. “Mama, es schneit immer noch! Denkst du, es bleibt so bis Weihnachten?”
Johanna lächelte und reichte ihre Hand, um Nele näher zu sich zu ziehen. Die Wärme des Moments breitete sich in ihrem Inneren aus, eine flüchtige, aber dennoch kostbare Empfindung. “Vielleicht, mein Schatz. Aber weißt du, heute Abend ist doch das perfekte Wetter, um eine neue Liste zu beginnen.”
Nele runzelte die Stirn, neugierig geworden. “Was für eine Liste?”
“Die Liste der kleinen Dinge”, erklärte Johanna und zeigte auf das Notizbuch. “Jedes Jahr um diese Zeit schreibe ich auf, was mich glücklich gemacht hat oder wofür ich dankbar bin. Möchtest du mitmachen?”
Neles Augen leuchteten auf. “Ja, das klingt schön!”
Gemeinsam saßen sie an dem Holztisch, und Johanna öffnete das Notizbuch, während der Tee langsam abkühlte. Der leise Schneefall draußen verstärkte die gemütliche Stille, die sich zwischen Mutter und Tochter ausbreitete.
“Gut, dann lass uns anfangen”, sagte Johanna. “Was war deine erste kleine Freude?”
Nele überlegte kurz und schrieb dann mit bedächtiger Schrift: “Mein roter Schal, den Oma gestrickt hat.”
Johanna nickte zustimmend. “Er hält dich warm und schickt dir Omas Liebe. Was noch?”
“Der Schnee!”, rief Nele aufgeregt. “Ich liebe es, wie er aussieht, wenn er alles bedeckt und die Welt still wird.”
Johanna spürte, wie das Glück von Neles Worten in ihr aufstieg, ein Gefühl von Gemeinsamkeit und geteiltem Staunen. “Das ist in der Tat etwas sehr Besonderes. Für mich war es heute der Moment, als ich deinen Kuchen gerochen habe. Er hat nach Weihnachten geduftet.”
Während sie abwechselnd auf die Seiten schrieben, füllte sich das Notizbuch mit kleinen Kostbarkeiten: Marens unerwarteter Besuch, als sie selbstgemachte Plätzchen vorbeibrachte; die warme Kälte des Schnees, die sich so weich auf den Gesicht legt; ein Telefonat mit Johannas Bruder, der von weit her anrief, einfach nur um ‘Hallo’ zu sagen.
Ich, die Geschichte der großmütterlichen Strickkunst und die unzähligen Male, als Nele ihren Lieblingsschlitten den Hügel hinunterjagte, waren alle Teil der Liste.
Einige Zeit später klingelte es an der Tür. Maren trat herein, die Kälte ihres Atems noch sichtbar, während sie ihren Mantel ablegte.
“Ich hoffe, ich störe nicht zu sehr”, sagte sie verlegen.
“Aber nein”, erwiderte Johanna mit einem Lächeln. “Du kommst gerade rechtzeitig. Schau, wir haben die Liste begonnen.”
Maren setzte sich zu ihnen, und es fühlte sich so natürlich an, als wäre sie nie weggewesen. Gemeinsam lasen sie die Zeilen und lachten über die einfachen Dinge, die manchmal den größten Unterschied ausmachten.
Die Zeit verstreute sich wie der Schnee vor dem Fenster, Erinnerungen verwoben sich miteinander und bildeten ein Netz voller warmer Gefühle und Momenten, die viel zu schnell vergangen waren. Doch an diesem Abend, in der Einfachheit der Küche, erschien die Welt in einem anderen Licht.
Als die Uhr leise Mitternacht schlug, legte Johanna das Notizbuch beiseite. Das Herz war jetzt schwerer, voller Dankbarkeit und Liebe, während sie alle die Küche verließen.
Maren umarmte beide, ihre Augen leuchteten im Schein der flackernden Kerzen. “Auf ein Neues im nächsten Jahr?”
Nele lächelte und nickte. “Auf jeden Fall! Unsere Liste ist nie wirklich zu Ende.”
Und obwohl der Abend endete, wussten sie, dass sie etwas Wertvolles teilten – eine Sammlung kleiner Dinge, die sie im kommenden Jahr begleiten würden.
