Die Schlittenjagd im Abendrot
Der Winter hatte das Dorf in eine stille, weiße Zauberlandschaft verwandelt. Die Luft war klar und kalt, die Näschen der Kinder rot wie kleine Äpfelchen. Ben und Liya standen mit ihrem Hund Flocke am Fuß eines Hügels, der am Rande des Dorfes lag. Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, während der Holzschlitten bereit neben ihnen lag.
„Bist du bereit, Liya?“, fragte Ben und hob den Schlitten leicht an, damit die Sonne, die sich am Himmel rot gefärbt hatte, funkeln konnte wie ein Schatz.
„Klar! Aber pass auf, dass Flocke nicht aus dem Schlitten springt!“, antwortete Liya. Sie zog ihren Schal fester um den Hals und griff nach Bens Hand.
Flocke, der mit seiner weißen, flauschigen Erscheinung ganz in die Schneelandschaft passte, sprang spielerisch hin und her. Schließlich setzte er sich zwischen Ben und Liya auf den Schlitten, seine Rute wedelte vor Aufregung.
Der Hügel war sanft, doch die Schnelligkeit der Abfahrt war ansprechend. Die Kinder lachten, als der Wind an ihren Mützen zog und die Welt aus Schneeflocken und glitzerndem Weiß an ihnen vorbeizog.
Auf halber Strecke sah Ben jedoch etwas, das ihn innehalten ließ. Ein kleiner Ast ragte aus dem Schnee. „Halt mal, Liya!“, rief er. „Wir müssen schauen, ob wir darüberfahren können.“
Liya nickte und zog die Zügel fest an sich, während Ben vorsichtig abstieg. Flocke schnüffelte neugierig am Ast.
„Vorsicht!“, warnte Liya und sah den Hügel hinab. „Da unten ist es steiler!“
Ben inspizierte den Ast, aber er schien kein Hindernis zu sein. Schon bald saßen sie wieder auf ihrem Schlitten. „Dann geht’s weiter!“, lachte Ben und sie stießen sich mit einem kräftigen Schub ab.
Der Schlitten sauste den Hügel hinab, immer schneller, der Wind rauschte in ihren Ohren, während die rote Abendsonne durch die verschneiten Bäume strahlte. Plötzlich begann Flocke fröhlich zu bellen, sein Schwanz gleichmäßig im Takt der Schlittenbewegungen wippend.
„Wuhuu!“, rief Liya und hob die Arme hoch in den Himmel. „Das ist schneller als ein Eiszapfen, der vom Dach fällt!“
Doch dann bemerkte Ben, dass das Tempo zu schnell wurde. Die Bäume am Rand des Hügels schienen ihnen entgegenzufliegen. „Wir sollten etwas bremsen!“, rief er über den Lärm hinweg.
Mit vereinten Kräften drückten Ben und Liya die Füße in den Schnee, Flocke presste sich gegen Ben. Der Schlitten verlangsamte, gerade rechtzeitig, bevor sie die Baumgrenze erreichten.
„Wow, das war knapp!“, keuchte Liya. „Guter Ruf, Ben!“
Ben grinste und streichelte Flockes Kopf, der seinen kleinen Hundefreund erfreut ansah. „Ich denke, Flocke hatte auch Spaß“, lachte er, als Flocke ihm zufrieden die Hand leckte.
Müde, aber glücklich, machten sie sich auf den Rückweg Richtung Dorf, während die ersten Sterne am Himmel funkelten. Die rote Sonne hatte sich hinter den Hügeln verzogen und ließ eine samtige Dunkelheit zurück, die vom sanften Licht der Weihnachtslaternen erhellt wurde.
„Heute haben wir gelernt, dass Mut auch bedeutet, zu wissen, wann man bremsen muss“, sagte Liya leise.
Ihre Worte hingen wie Sternenstaub in der Luft, während sie den Rest des Weges in wohligem Schweigen zurücklegten. Zuhause wartete bereits die warme Stube mit frischem Apfelpunsch und ihrer Lieblingsweihnachtsgeschichte.
Und nach solch einem ereignisreichen Tag schliefen Ben, Liya und Flocke bald tief und fest ein, eingehüllt in die friedliche Umarmung des stillen nächtlichen Winters.




