Die Silberfeder des Winterschimmers
Marlon stapfte durch den tiefen Schnee des Parks. Jeder Schritt knirschte angenehm und hinterließ eine Spur hinter ihm, die langsam unter neuen Schneeflocken verschwand. Die winterliche Luft war klar, und sein Atem bildete kleine Wölkchen, die rasch vergingen.
„Warte auf mich, Marlon!“, rief Fee Lyss, die mit kalten Nasenspitze, aber lachendem Gesicht hinter ihm herlief. Ihre bunten Fäustlinge waren fast zu Groß für ihre kleinen Hände und machten das Schneeballschlagen zu einer lustigen Herausforderung.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Teich, der unter einer dicken Eisschicht lag. Über die steinerne Brücke hinweg sahen sie, wie das Wasser darunter in ruhiger Dunkelheit schlummerte.
„Hier draußen gibt es sicher Geheimnisse“, flüsterte Lyss und blickte mit großen Augen über die weiße Landschaft. Dann fiel ihr Blick auf einen schwarzen Raben, der auf der Brückenmauer saß.
Der Rabe sah mit schlauem Blick zu ihnen herüber und krächzte leise. Zwischen seinen glänzenden Flügeln blitzte etwas Helles auf.
„Was hast du da?“, fragte Marlon neugierig und näherte sich langsam. Der Rabe hüpfte einen Schritt zurück, ließ aber eine schimmernde Feder in den Schnee fallen.
Fee Lyss bückte sich und hob die Silberfeder vorsichtig auf. „Sie sieht magisch aus“, sagte sie ehrfürchtig und strich mit den Fingern darüber. Die Feder glitzerte in den Farben des Regenbogens und fühlte sich warm und lebendig an.
„Vielleicht führt sie uns zu einem Abenteuer“, schlug Marlon vor. „Was meinst du, Herr Rabe?“
Der Rabe hüpfte aufgeregt hin und her und führte die Kinder entlang eines schmalen Weges, der in den verschneiten Wald führte. Je weiter sie gingen, desto stärker schien die Feder zu leuchten.
Sie kamen an eine Lichtung, die von sanftem Mondlicht erhellt wurde. Mitten darin lag ein kleiner Teich, dessen Wasser in der eisigen Kälte nicht gefroren war. An seinen Ufern wuchsen Blumen aus reinem Eis, funkelnd wie Kristalle.
„Das muss der Zauberteich sein“, hauchte Fee Lyss voller Staunen. „Vielleicht wohnt hier ein Wintergeist?“
Plötzlich hörten sie ein sanftes Säuseln und aus dem Nebel trat eine zierliche Gestalt hervor. Es war ein Wintergeist namens Eldora, dessen Haar wirkte wie gefrorener Tau und dessen Augen wie Sterne funkelten. „Willkommen, Kinder“, sagte Eldora mit einer Stimme wie klingelnde Glöckchen. „Ich sehe, ihr habt meine Silberfeder gefunden.“
Marlon trat einen Schritt näher und überreichte die Feder mit zitternden Händen. „Ja, wir haben sie gefunden. Haben wir sie genommen, ohne zu dürfen?“
Eldora lächelte sanft und nahm die Feder entgegen. „Nein, ihr habt gut daran getan sie zu bringen. Durch eure Güte habt ihr den Zauber des Teiches bewahrt.“
Dann reichte Eldora ihnen zwei kleine Kristalle. „Diese Kristalle tragen die Magie des Winterschimmers in sich. Sie mögen euch in ungewissen Stunden leiten.“
Die Kinder dankten ihr, und während sich Eldora in Nebel auflöste, fühlte sich der Winter weniger kalt an. Der Rabe krächzte ein letztes Mal, bevor er in die Nacht entschwand.
Händchen haltend traten Marlon und Fee Lyss den Heimweg an. Die Sterne funkelten wie nie zuvor, und der Schnee unter ihren Füßen knirschte im Takt ihrer Schritte.
Und während sie sich dem warmen Licht ihrer Heimat näherten, spürten sie, dass Güte wirklich heller leuchtet als Eis.
Gute Nacht, flüsterte der Wind, als der Park hinter ihnen in eine stille Winterruhe fiel.




