Die Suche nach dem Eichenherz
Die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings kitzelten Tims Nase, als er unter der uralten Eiche im Dorfwald stand. Um ihn herum summte und brummte das Leben: Vögel zwitscherten ein fröhliches Lied, und ein sanfter Wind trug den Duft von frischem Moos und jungen Blättern herbei.
„Tim! Tim! Warte auf mich!“, rief eine piepsige Stimme. Der kleine Igel Moritz kam mit tapsigen Schritten durchs Unterholz getrippelt. Seine Stacheln glitzerten im Morgenlicht wie tausend winzige Edelsteine.
„Guten Morgen, Moritz“, lächelte Tim. „Bist du bereit für unser Abenteuer? Wir müssen unbedingt herausfinden, ob der Schatz unter der Eiche wirklich existiert!“
„Natürlich bin ich bereit!“, schnaufte Moritz und schüttelte ein paar vertrocknete Blätter von seinen Stacheln. „Ich habe sogar mein Glückskleeblatt dabei.“
Von einem hohen Ast einer benachbarten Linde ertönte das sanfte Flüstern von Flügeln, und gleich darauf landete Eule Fina lautlos neben ihnen. „Guten Morgen, ihr zwei“, sagte sie mit einem klugen Lächeln. „Hast du schon den Plan, Tim?“
„Natürlich“, sagte Tim geheimnisvoll und klopfte dabei auf die alte Karte, die er von seinem Großvater geerbt hatte. „Hier soll der Schatz, das Eichenherz, vergraben sein. Und heute werden wir ihn finden!“
Gemeinsam machten sich die drei auf den Weg. Der Wald empfing sie mit einem Kaleidoskop aus Farben und Düften. Junge Krokusse und Narzissen reckten ihre Köpfe in den Wind, und der Boden war weich unter ihren Füßen.
Doch als sie den alten Pfad entlanggingen, erhoben sich unerwartet leise Stimmen aus den Wipfeln über ihnen. „Achtung vor den Hindernissen!“, warnte ein munterer Spatz, während er über ihnen hin und her huschte.
Kurz darauf standen sie vor einem großen umgestürzten Baumstamm, der den Weg versperrte. Tim schuftete, hob und zog an einem der schwereren Äste, während Moritz um den Stamm herumlief, um einen Durchgang zu finden. Doch es war Fina, die mit einem lauten Uhu vom Baumstamm absprang und sich den Weg unter dem dichten Geäst hindurchbahnte. „Hier entlang!“, rief sie triumphierend.
„Das war schlau“, lachte Tim und half Moritz unter den Ästen hindurch. Kaum hatten sie das Hindernis überwunden, als ein leises Glucksen ertönte. Ein kleiner Bach glitzerte im Sonnenlicht, sein Wasser war kühl und frisch. Tim schöpfte etwas davon in seine Hände und trank, während Moritz seine Schnauze ins klare Nass tunkte.
„Wir sind nah dran“, sagte Tim aufgeregt und nickte in Richtung der großen Eiche, die sich vor ihnen erhob.
Fina flatterte von Ast zu Ast, um ihre Umgebung im Blick zu behalten. „Der Boden sieht hier weicher aus, vielleicht haben die Wurzeln den Schatz richtig umschlossen“, meinte sie.
Tim kniete sich hin und begann mit den Händen leicht die Erde zur Seite zu schieben. Moritz half ihm, indem er mit seinen kleinen Füßen buddelte. Die Minuten vergingen, Vögel zwitscherten fröhlich, und die Geräusche des Waldes wurden zur leichten Hintergrundmusik ihrer Arbeit.
Plötzlich stieß Moritz auf etwas Hartes. „Ich hab was gefunden!“, rief er begeistert.
Tim zog mit zittrigen Fingern den Gegenstand hervor. Es war eine alte Holzkiste! Gemeinsam öffneten sie den Deckel und fanden ein wunderschön geschnitztes Holzherz, das im goldenen Sonnenlicht aufleuchtete.
„Das Eichenherz!“, flüsterte Tim ehrfürchtig. Eine warme Freude durchströmte ihn, und er schaute zu seinen Freunden hinüber.
„Ich hätte nie gedacht, dass es so schön ist“, sagte Fina bewundernd und flatterte ihre Flügel vor Freude.
„Ein Glück, dass wir das zusammen gemacht haben“, meinte Moritz, der nun glücklich neben dem Schatz saß. „Es war eine wunderbare Reise, nicht wahr?“
„Ja, das war es“, stimmte Tim zu und legte seine Hand auf das Herz aus Holz. Er fühlte die Wärme seiner Freunde um sich und wusste, dass dies ein Schatz war, der weit wertvoller war als alles Gold der Welt.
Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen, und lange Schatten tanzten über den Waldboden. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und die Freude über ihr Abenteuer erfüllte die Herzen der drei Freunde. Zusammen machten sie sich auf den Rückweg, während die Sterne am Himmel zu funkeln begannen. Die Nacht war ruhig und freundlich, fast als wollte sie ihnen sagen, dass morgen ein neuer, aufregender Tag auf sie wartete.
Und so schliefen sie ein, mit der Gewissheit, dass ihre Freundschaft das wertvollste Geschenk war, das der Wald zu bieten hatte.




