Ein Regentag, der alles verändert
Vorlesezeit: ca. 10 Minuten
Der Regen prasselte unermüdlich gegen das Fenster des Großraumbüros, ein leises Trommeln, das den Raum in eine sanfte Melodie hüllte. Sophie saß an ihrem Schreibtisch, die Hände um ihre dampfende Kaffeetasse geschlungen. Der Duft von frisch gebruhtem Kaffee mischte sich mit der feuchten Herbstluft, die durch das gekippte Fenster hereinströmte. Draußen verschwammen die Umrisse der Stadt im nassen Grau, während drinnen das Licht warme Reflexe auf den Schreibtischen und Bildschirmen warf.
Es war einer jener Tage, an denen man sich in die Sicherheit der Routine zurückzog. Sophie hatte lange gebraucht, um sich an diesen neuen Job zu gewöhnen, an die Kollegen, die tagein, tagaus an ihr vorbeirauschten. Aber an Tagen wie diesen, wenn der Regen die Stunden in ein gedämpftes Zwielicht tauchte, fühlte sie sich fast heimisch in diesem Glaskoloss aus Stahl und Beton.
Ihre Kollegin Lina beugte sich über den Schreibtisch zu ihr hinüber. „Kaffee?“ fragte sie mit einem Lächeln, das so strahlend war, dass es selbst den trübsten Tag aufhellen konnte.
Sophie nickte dankbar, während Lina ihr eine weitere Tasse einschenkte. Sie mochte Lina, die mit ihren aufgeweckten Augen und dem ansteckenden Lachen Leben und Licht in jeden Raum brachte. „Hast du schon Toms neue Idee gehört?“, begann Lina, und Sophie, die zunächst nur mit einem Ohr zugehört hatte, wurde neugierig. Sie war sich nie sicher gewesen, was sie von Tom halten sollte – er war freundlich, manchmal sogar übermäßig charmant, doch immer schien ihn eine leise Traurigkeit zu umgeben.
„Nein, was ist denn seine neueste Geistesblitz?“ fragte sie, ihre Augen auf den Regen draußen gerichtet.
„Er hat eine Möglichkeit gefunden, die Meetings interessanter zu gestalten – Quizfragen, die nebenbei die Stimmung auflockern sollen. Und weißt du, was? Es funktioniert tatsächlich!“, erklärte Lina und Sophie konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
Plötzlich hörte sie Schritte und das Kratzen des Stuhls, als Tom sich ihr gegenüber setzte. Sein Blick verlor sich kurz im Regen draußen, bevor er sich zu Sophie wandte. „Hast du schon unsere kleine Verbesserung in der Besprechung bemerkt?“, fragte er beiläufig, seine Stimme eine Mischung aus Stolz und Freude.
Sophie lächelte. „Lina war schneller und hat mir schon alles erzählt. Ich finde es eine großartige Idee. Es ist schön, etwas Abwechslung zu haben.“
Tom lachte. Ein herzliches, tiefes Lachen, das in ihr eine unerwartete Wärme auslöste. „Gut, dann habe ich meinen Job gemacht. Vielleicht sollten wir mal einen Regentag für etwas anderes nutzen? Ein Kaffee außerhalb der Bürozeit?“
Die Frage hing zwischen ihnen in der Luft, umhüllt von dem beständigen Rauschen des Regens. Sophie betrachtete Tom, versuchte in seinen Augen zu lesen, was über das gesagte Wort hinausging. Sie sah Neugier, vielleicht sogar eine Spur von Zuneigung, und spürte, wie sich ihre eigenen Wangen leicht röteten.
„Das klingt gut“, sagte sie schließlich, überrascht von der plötzlichen Gewissheit in ihrer Stimme. Lina sah zwischen ihnen hin und her, ein wissender Ausdruck auf ihrem Gesicht.
Es waren diese kleinen Augenblicke, dachte Sophie, während der Regen langsam nachließ und das Büro in ein sanftes Dämmerlicht tauchte. Diese flüchtigen Momente der Verbindung, die alles verändern konnten. Sie wussten beide noch nicht, wohin dieser Weg führen würde, doch für den Augenblick war die Aussicht einer gemeinsamen Tasse Kaffee Hoffnung genug. Ein leiser Regenschauer, der hinter den dicken Fenstern langsam verklang, ein Lächeln, das neue Ufer versprach.
Sophie wandte sich erneut dem Fenster zu. Die Stadt ruhte im Nebel aus Wasserdampf und Laternenlicht. Und sie, eine Frau in einem Büro voller Menschen, hatte gerade ein winziges Stück Zukunft entdeckt – verborgen im Kaffeeduft und im Regenlicht.




