Ein Tag, der ewig bleibt
Lina zog die dicke Wolljacke fester um sich, während sie den schmalen Pfad zum Landhaus entlangging. Das Haus am Fluss hatte seine eigene Magie, die besonders im Herbst zu spüren war, wenn das Laub in leuchtenden Farben die Landschaft beherrschte. Sebastian war bereits vorgegangen und würde die kleine Feuerstelle vorbereitet haben, die sie in der kalten Jahreszeit jedes Mal begrüßte.
Als Lina die Tür öffnete, wurde sie von der wohligen Wärme und dem beruhigenden Knistern willkommen geheißen. ‘Ich habe Tee gemacht’, rief Sebastian aus der Küche, und Lina fühlte sich in der Stille dieses Ortes sofort angekommen.
Der Fluss plätscherte leise, sein stetiges Murmeln bildete die sanfte Melodie ihrer Wochenendausflüge. In der Ferne saß ein Reiher, der unbeweglich auf der Jagd nach Fischen verharrte. Lina setzte sich in den Ohrensessel am Fenster und beobachtete die Szene mit einer Gelassenheit, die nur hier zu finden war.
‘Weißt du, ich glaube, wir sollten öfter hierher kommen’, überlegte Lina laut, während Sebastian mit zwei dampfenden Tassen in den Händen hereinkam. ‘Es gibt keinen besseren Ort, um zur Ruhe zu kommen.’
Das Haus war klein, aber voller Erinnerungen. Überall hingen Fotos von vergangenen Tagen, von warmen Sommernächten und tiefen Gesprächen. Es war ein Rückzugsort, den sie mit Freunden und Familie geteilt hatten. Eine Verbindung zur Vergangenheit, die Geschichten erzählte, sobald man die Schwelle überschritt.
Als die Sonne langsam unterging und das goldene Licht durch die Fenster sickerte, erinnerte Lina sich plötzlich an die letzte Nachricht von ihrer alten Freundin Rosa. ‘Sebastian, erinnerst du dich an Rosa?’
Sebastian nickte. „Sie war damals oft hier, nicht wahr? Ob sie sich verändert hat?’
Als würde das Schicksal mithören, erhob ein lautes Klopfen an der Tür ihre Gedanken in die Wirklichkeit. Verwundert öffnete Lina die Tür, und vor ihr stand tatsächlich Rosa. Ihr Gesicht war älter geworden, aber das strahlende Lächeln war dasselbe geblieben.
‘Lina!’ Rosa umarmte sie fest. ‘Es ist so lange her. Ich war in der Gegend und konnte nicht widerstehen, vorbeizukommen.’
‘Komm rein, setz dich zu uns’, bot Sebastian an, und Rosa machte es sich auf dem Sofa bequem. Ihre Anwesenheit schien die heimische Atmosphäre nur noch zu verstärken. Die drei redeten bis tief in die Nacht hinein, teilten alte Erinnerungen und sprachen über die Herausforderungen des Lebens.
Das Geräusch des knisternden Feuers und das Flüstern des Flusses klang wie ein altes Lied, das sie nie vergessen hatten.
Als Lina später an diesem Abend wieder aus dem Fenster schaute, spürte sie eine tiefe Zufriedenheit, die wie der sanfte Fluss durch ihr Inneres floss. Das Leben schien hier stillzustehen, doch in der Stille lag eine aktive, atmende Welt voll lebendiger Schönheit und Klarheit.
Rosa verabschiedete sich, versprach bald wiederzukommen und ließ Lina und Sebastian in einer Atmosphäre voller Dankbarkeit zurück. Während der Mond sein silbernes Licht über die stillen Wellen goss, legte sich eine sanfte Ruhe über das Haus. Lina schloss die Augen und atmete den friedlichen Duft des Herbstes ein.
Manchmal braucht es nur einen einzigen Tag der Achtsamkeit, um das Herz wieder ins Gleichgewicht zu bringen.




