Laufrunden im Regen
Der Regen fiel in einem gleichmäßigen Takt auf den nassen Asphalt, als Armin durch den fast menschenleeren Park joggte. Es war Herbst, und der Duft von feuchtem Laub lag schwer in der Luft. Die herbstlichen Bäume warfen lange Schatten unter dem grauen Morgengrauen, während feine Wassertropfen von den Blättern tropften.
Armin hatte den Park fast für sich alleine. Abgesehen von vereinzelten Hundebesitzern und einer älteren Frau, die unter ihrem Regenschirm schnell vorbeihuschte, war es still. Er konnte das rhythmische Schlagen seiner Schritte deutlich hören, unterbrochen nur vom leisen Plätschern seiner Füße auf dem Asphalt.
Er zog die Kapuze seiner leichten Regenjacke über den Kopf, um den kühlen Wind abzuhalten. Seine Haut war von der Feuchtigkeit kühl, doch in seiner Brust pochte das Herz kräftig, die Lungen arbeiteten gleichmäßig. Mit jedem Schritt sank er tiefer in den Rhythmus ein, seine Gedanken lösten sich langsam vom Alltag.
Armins Atmung war fest und konstant, kleine Rauchwolken stiegen vor seinem Gesicht in die kühle Morgenluft. Er wusste, dass diese Laufstrecke wichtig für ihn war. Sie war ein Ankerpunkt im Chaos des Alltags, eine Zuflucht, bei der er sich nur auf den nächsten Schritt konzentrieren musste. Der Park verwandelte sich in einen Ort der Klarheit, wo er Raum hatte, einfach zu sein.
Der Regen wurde stärker, prasselte nun heftiger gegen die Blätter, aber Armin ließ sich nicht beirren. Seine Muskeln waren warm und gleichmäßig angespannt, die Bewegung fühlte sich mühelos an, als würde er in einem unsichtbaren Strom mitgleiten.
Gedanken an sein Leben schoben sich in den Vordergrund; an die bevorstehende Präsentation im Büro und die Herausforderung, die Woche zu überstehen. Aber so schnell sie kamen, so schnell ließ er sie los. Hier, in diesem Moment, zählten nur Atem, Herzschlag und Schrittfolge.
Eine Kurve weiter erblickte er einen Läufer vor sich, ein vertrautes Gesicht: Thomas, ein Kollege aus dem Büro. Armin beschleunigte leicht, bis er auf einer Höhe mit ihm war und grinste. „Auch du hier?“
Thomas nickte und schnaufte, grinste zurück. „Kann einfach nicht drinnen bleiben, egal wie das Wetter ist.“
Gemeinsam liefen sie eine Weile, ohne groß zu reden. Die Gesellschaft war angenehm, das Geräusch ihrer synchronisierten Schritte bereicherte das Momentgefühl. Doch als sie den nächsten Anstieg erreichten, vergrößerte sich Armins Vorsprung unbewusst wieder. Der Flow hatte ihn erneut erfasst.
Armin lief weiter, sein Körper fand einen gleichmäßigen, mühelosen Rhythmus. Mit jedem Meter schienen seine Gedanken klarer zu werden, seine innere Stimme leiser, wie wenn der Regen den aufgebrachten Staub des Geistes hinwegspülen würde.
Nach einigen weiteren Runden durch den Park verlangsamte Armin das Tempo, spürte, wie seine Muskeln noch immer warm und stark waren. Der Regen hatte aufgehört, und das erste Blau des Tages schob sich durch die Wolkendecke.
Als Armin schließlich anhielt und seine Hände auf die Knie stützte, blickte er auf. Auf dem Spielplatz am Rande des Parks hing noch die Erinnerung vergessener Kinder, bunte Schaukeln und verräterische Fußspuren im Sand.
Er fühlte eine unerwartete Zufriedenheit, eine Stille in seinem Inneren, die ihn durchfloss. Es war diese einfache Wahrheit, dass Dranbleiben die Stimmung schlagen konnte; dass das Überwinden des inneren Widerstandes die Kraft gab, wo man sie am wenigsten erwartete.
Armin lächelte für sich selbst, streckte seine Hände hoch in den noch kühlen Morgen und atmete tief durch, bevor er sich auf den Heimweg machte.




