Liebe im Takt der Tastatur
Der Winter hatte das Großraumbüro fest im Griff. Kalte Zugluft kroch oft durch die schlecht isolierten Fenster, und das Flackern der Neonlichter war ein ständiger Begleiter. Tom saß an seinem Platz, gefangen im Rhythmus der Arbeit. Die Hektik um ihn herum war vertraut, fast beruhigend in ihrer ständigen Gleichförmigkeit. Doch seit einiger Zeit gab es einen Herzschlag im Takt der Tastatur, der ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.
Es war Lina. Immer öfter wanderte sein Blick unwillkürlich zu ihr hinüber, während sie konzentriert Zahlen in Tabellen eintrug oder auf den Bildschirm starrte, als könne sie durch die Matrix der Daten hindurchblicken. Zwischen ihnen lagen die Besprechungstische und ein Meer von Bürogeräuschen, doch für Tom fühlte sich ihr Gegenwart unerwartet nah an.
Eines Abends, als die flackernden Lichter der Büroetage den bevorstehenden Feierabend ankündigten, näherte sich Abteilungsleiter Ben ihnen und überbrachte die Nachricht: „Ein wichtiger Kunde hat sich angekündigt. Wir brauchen morgen eine Präsentation, die sitzt. Tom, Lina, ich verlasse mich auf euch.“
Während die Straße draußen im winterlichen Dunst verschwamm, blieben Tom und Lina zurück, um an dem Projekt zu arbeiten. Die Zeit schien sich aufzulösen, während die beiden konzentriert arbeiteten. Doch in den stillen Momenten, wenn sie sich beim Wechsel der Aufgaben in die Augen sahen, fühlte Tom, dass es mehr als nur Zahlen waren, die sie verbanden.
„Danke, dass du noch die Extrameile gehst“, sagte Lina, ohne aufzuschauen. Ihre Stimme war sanft, warm und klang nach mehr, als die Worte verrieten.
„Für dich immer“, antwortete Tom, überrascht von der Ehrlichkeit seiner eigenen Worte.
Die Nacht trug ihren Schleier, und das Büro verstummte nach und nach, bis nur noch das leise Brummen der Computer und das gelegentliche Knistern der Heizung zu hören waren. Draußen fiel der Schnee schwer und deckte die Geräuschkulisse der Stadt wie ein dicker Teppich zu.
Es war etwas Magisches im Raum, das Tom nicht benennen konnte. Ein kurzes Bedürfnis, Lina nahe zu sein, wuchs in ihm. Sie schwiegen eine Weile, arbeiteten still, doch die Luft zwischen ihnen war aufgeladen mit unausgesprochenen Gedanken.
„Weißt du“, begann Lina zögerlich, „manchmal habe ich das Gefühl, dass wir mehr sind als nur Kollegen. Ich meine… Nicht, dass das jetzt komisch klingen soll…“ Sie brach ab, unsicher, ob sie weitersprechen sollte.
Tom lächelte, ein stilles Lächeln, das die Entfernung zwischen ihnen überbrückte. „Ich habe das auch gespürt. Vielleicht sind es nur die langen Stunden gemeinsam, oder…“ Er hielt inne, suchte nach den richtigen Worten. „Oder vielleicht ist es dieses Büro. Wieso funktionieren Neonlichter nur dann richtig, wenn man sie ignoriert?“
Sie lachte, ein leises Lachen, das die Spannung löste und den Raum füllte. Es war das Lachen eines Alltags, das neue Türen öffnete, während der Winter draußen weiter tobte.
In diesem Moment wusste Tom, dass sie zusammen etwas entdeckt hatten, das alle Tabellen und Meetings nicht erklären konnten. Ein Gefühl, das zwischen den Zeilen existierte, zwischen den Zeilen des täglichen Lebens und der Arbeit.
Lina drehte sich zu ihm und sagte: „Nächste Woche ist Weihnachtsparty. Willst du vielleicht… gemeinsam hingehen?“
Tom nickte. „Ja, sehr gerne. Aber wir sollten uns einen besseren Platz als unter diesen Neonlichtern suchen.“
Sie schmiedeten Pläne, tauschten Lächeln und Blicke aus, während die Nacht langsam dem Morgengrauen wich. Der Büroschlüssel lag still auf dem Tisch, symbolisch für alle Türen, die sich in der kommenden Zeit öffnen würden.
Als sie schließlich ihr gemeinsames Werk speicherten und die Computer herunterfuhren, hielt Tom für einen Moment inne und sah Lina an. Es war ein Blick, der nichts forderte, aber alles versprach.
Als sie das Büro verließen und die kalte Winterluft ihnen entgegenblies, wusste Tom, dass zwischen den flackernden Lichtern und tippenden Tasten etwas Neues entstanden war. Ein Herzschlag, der den Takt ihrer Leben bestimmen könnte.




