Liebe in der alten Stadtstraße
Vorlesezeit: ca. 10 Minuten
Die alten Stadtstraßen zeigten sich im Winter von ihrer märchenhaften Seite. Ein zartes Schneetreiben legte sich wie ein sanfter Schleier über das Kopfsteinpflaster, während die warmen Lichter der Laternen gesprenkelte Muster in den Schnee malten. Marie zog den Kragen ihres Mantels enger um den Hals, als der eisige Wind durch die Gassen wehte. Sie war auf dem Weg zu einem kleinen Café, das sich durch seine gemütliche Atmosphäre und dem fast schon geheimnisvoll anmutenden Eingang auszeichnete.
Die Luft war voll von den verlockenden Düften nach frisch gebackenen Plätzchen und heißem Kakao. Marie zog die Tür auf und trat ein, während die Glocke über ihr leise erklang. Der Raum schien in eine warme, golden schimmernde Umarmung aus Licht und Gesprächen gehüllt. Ein leises Klirren von Geschirr und das entfernte Lachen der Gäste webten ein heimeliges Ambiente, das sich wie eine Decke über ihre Schultern legte.
Maries Blick blieb kurz an einem jungen Mann hängen, der allein an einem Ecktisch saß. Tobias war sein Name, wie sie später erfahren würde. Er hatte ein Buch in der Hand und war so tief darin versunken, dass er die Umgebung kaum wahrzunehmen schien. Dennoch lag eine gewisse Melancholie in seinen Augen, die Marie nicht aus ihrem Gedächtnis streichen konnte.
Gut eine Stunde später verließ sie das Café mit dem festen Entschluss, wiederzukommen. Die Straßen waren leerer geworden, und der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln. Gerade als sie die Laterne an der Ecke der alten Gasse erreichte, hörte sie eine Melodie, die durch die kalte Nacht schwebte.
Jan, ein gelegentlicher Straßenmusiker, hatte es sich unter der größten Laterne gemütlich gemacht und spielte eine Melodie, die von Hoffnung und sehnsüchtigen Träumen erzählte. Tobias kam ebenfalls näher, seine Aufmerksamkeit nun von der Musik angezogen. Ein Windstoß wirbelte die letzten Schneeflocken um sie herum, als sich ihre Blicke trafen.
“Was für eine schöne Nacht”, sagte Tobias leise und lächelte. Marie nickte und spürte, wie die Kälte langsam aus ihren Gedanken wich. Sie verweilten, sprachen über die Musik, die Straßen und die kleinen Dinge, die den Alltag schöner machten. Jan, der die Worte zwischen den Noten hörte, changierte zu einem sanfteren Stück, das die Stimmung noch mehr vertiefte.
Mit einem Lächeln und der Versprechung, sich wiederzusehen, verabschiedeten sich Marie und Tobias schließlich, beide den Gedanken nachhängend, dass dieses zufällige Aufeinandertreffen mehr sein könnte als nur ein schöner Winterabend.
Die Kälte hatte längst nachgelassen, als sie jeweils in ihre Wohnungen zurückkehrten, doch die Wärme des gegenwärtigen Augenblicks blieb in ihrer Erinnerung. Ein Moment kann alles verändern, dachten sie, als sie die Türen hinter sich schlossen und die Laternen draußen ihren Weg in den Schlaf begleiteten.




