Lilly und der verlorene Ballon
Vorlesezeit: ca. 12 Minuten
Es war ein leiser Herbstnachmittag in der kleinen Stadt. Die Blätter verfärbten sich in leuchtendes Gold und tieferes Rot. Lilly, ein fröhliches Mädchen mit zwei Zöpfen und funkelnden Augen, war mit ihrem ballonförmigen Drachen im Park. Der Wind zog sanft an ihrem leuchtend roten Ballon, der an einer langen weißen Schnur in den Himmel stieg.
"Halt ihn gut fest, Lilly", rief Oma Hilde, die auf einer Bank im Schatten eines alten Ahorns saß. Ihr Schal wehte im Wind, während sie eine Tasse heißen Tee in den Händen hielt.
Lilly lächelte. "Keine Sorge, Oma! Ich pass auf!" Doch in nur einem kleinen Augenblick der Ablenkung, während sie ihrem Kater Miez zusah, wie er an einem Blatt schnupperte, glitt die Schnur aus ihren Händen. "Oh nein!", rief Lilly und lief dem Ballon mit fliegenden Haaren hinterher.
Der Ballon schwebte hoch über die bunten Baumkronen, scheinbar unerreichbar. Lilly blickte ihm nach und bemerkte Ben, einen Jungen aus ihrer Klasse, der am nahegelegenen Spielplatz spielte. "Ben! Der Ballon!" Ben schaute auf, seine neugierigen Augen folgten dem leuchtenden Rot, das am Himmel tanzte. "Ich helfe dir!", rief er und beide liefen lachend den kleinen Hügel hinauf.
Der Wind wehte um ihre Gesichter, die Luft roch nach feuchtem Laub und Kastanien. Überall auf dem Boden lagen zerbrochene Nussschalen. Oben auf dem Hügel trafen die Kinder auf Kater Miez, der den Ballon mit seinen großen grünen Augen interessiert verfolgte.
"Vielleicht hilft Miez uns!", schlug Ben vor und wie aufs Stichwort, sprang der Kater geschmeidig in die Bäume. Er war vielleicht klein und flink, aber er wusste klugerweise, wo der Ballon landen könnte.
Währenddessen schlenderten Oma Hilde und andere Parkbesucher langsam näher, neugierig über die Aufregung der Kinder. Einer von ihnen, ein älterer Herr, beobachtete aufmerksam das Geschehen durch seine runden Brillengläser.
Zufälligerweise flatterte der Ballon sanft nieder, gefangen an einem Ast, der zu einem der höchsten Bäume gehörte. Lilly und Ben standen darunter, beiden war der Atem ein wenig gegangen von all dem Laufen. "Wie bekommen wir den herunter?", fragte Ben.
Doch bevor sie lange nachdenken konnten, kam Miez zurück, sprang kletternd auf den alten Baum und stellte sich wagemutig auf die hinteren Pfoten. Mit einem geschickten Sprung knickte er den Ast ein wenig, sodass der Ballon langsam herunterglitt, bis er sanft auf dem Boden lag.
"Geschafft!", rief Lilly glücklich und alle klatschten. Selbst Oma Hilde wirkte zufrieden, während sie sah, wie Lilly den geretteten Ballon fest in den Händen hielt.
Ein Gefühl der Freude und des Stolzes durchströmte sie alle. "Danke, Miez!" Die Kinder herzten den flauschigen Kater, der genüsslich schnurrte.
Der ältere Herr kam mit einem Lächeln näher und sagte: "Manchmal ist die Lösung näher, als man denkt, nicht wahr?" Lilly und Ben nickten lachend.
Die Sonne begann unterzugehen und ein sanftes, weiches Licht hüllte den Park in ruhige Farben. Als Lilly den Ballon sicher in den Händen hielt und Ben, Oma Hilde und Miez an ihrer Seite wussten, waren sie nicht nur ein Ballon, sondern auch ein wenig mehr zusammen gewachsen.
Gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg, das Rascheln der Blätter war nun wieder das einzige Geräusch. Der Tag neigte sich einem harmonischen Ende zu, voller neuer Freundschaft und einem Gefühl der Verbundenheit, das noch lange nach Sonnenuntergang bleiben würde.




