Schritte durch den Januarschnee
Der Januar hatte die Welt in einen dichten, weißen Mantel gehüllt. Kenan zog seinen Schal enger um den Hals und steckte die Hände tief in die Taschen seines Mantels. Jeder Atemzug hing für einen flüchtigen Moment in der kalten Luft, bevor er sich im Dunst der Morgendämmerung verlor.
Jeden Morgen verließ Kenan sein kleines, an den Stadtrand grenzendes Apartment und ging den verschneiten Weg entlang. Es war seine Routine, ein Ankerpunkt in einem sonst hektischen Alltag. Die Schritte im Schnee hatten etwas Tröstliches, der Klang von den fast rhythmischen Knirschgeräuschen begleitet, die mit jedem Schritt erklangen. Es war der stille, beruhigende Soundtrack seiner Gedanken.
Der Himmel war von einem blassen Grau, das leise in das Straßenlicht der noch schlafenden Stadt überging. Kenan mochte diese Zeit des Morgens, wenn der Tag noch formbar war, wie ein unbeschriebenes Blatt, das darauf wartete, mit den Erlebnissen und Entscheidungen des Tages gefüllt zu werden.
Der Weg führte durch ein enges Waldstück, dessen Bäume wie Wächter am Rand des Pfades standen. Ihre Äste bogen sich unter der Last des Schnees und bildeten fast ein blattloses, skulpturales Dach über seinem Kopf. Bei jedem Windstoß rieselten feine Flocken von den Zweigen und glitzerten kurz im bitzelnden, fahlen Licht des Morgens.
Mit jedem Schritt spürte Kenan, wie seine Gedanken klarer wurden. Die kalte Luft schärfte seine Sinne, und die stetige Bewegung belebte seinen Geist. Es war dies kleine Ritual, das ihm half, die Aufgaben und Herausforderungen des Tages nicht überwältigend erscheinen zu lassen, sondern Stück für Stück, Schritt für Schritt in Angriff zu nehmen.
Manchmal, wenn er den Weg entlangging, entdeckte Kenan kleine Spuren im Schnee. Vielleicht von einem Hasen oder einem Vogel, die ebenfalls ihren gewohnten Weg gegangen waren. Diese kleinen Spuren erinnerten ihn daran, dass er nicht allein war in seiner Reise. Jeder hatte seine eigenen Wege, seine Pfade, die er verfolgte, seinen Gründen, seinen Zielen – sei es Motivationen oder Routinen.
Als Kenan an diesem Morgen die letzten Bäume hinter sich ließ und die offene Straße am anderen Ende des Waldes erreichte, hielt er kurz inne. Der Himmel war mittlerweile klarer geworden, und die ersten Sonnenstrahlen brachen vorsichtig durch die Wolken. Ein sanfter, goldener Schein lag über der Stadt, als würde der Tag ihn willkommen heißen. Es war dieser Anblick, der ihm immer eine besondere Art der Freude und der Hoffnung schenkte.
Langsam drehte er sich wieder um und machte sich auf den Rückweg, bereit für das, was auch immer der Tag ihm bringen würde. In der Ruhe des Moments, irgendwo tief in sich, wusste Kenan, dass diese täglichen Spaziergänge ihm halfen, auch die größeren Herausforderungen seines Lebens anzugehen. Es waren die kleinen Schritte, die ihn weiterbrachten.
Zurück in seiner warmen Wohnung, schüttelte Kenan den Schnee von den Schultern und legte den Mantel zur Seite. Die Wärme der Räume umhüllte ihn, und der Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee aus der Küche erfüllte die Luft. Es war Zeit, den Tag zu beginnen, mit klarem Kopf und motiviert, kleine Wege in große Strecken zu verwandeln.




