Stille Treppen im Altbau
Es war ein kalter Winterabend, als Linn das knarrende Treppenhaus des Altbaus betrat. Die Luft war rau und doch vertraut in ihrer Klarheit. Diese alten Treppen, die speckigen Holzstufen und das verblichene Geländer hatten etwas Anziehendes. Sie waren voller Geschichten von Menschen, die täglich darüber gingen, und doch war jetzt niemand sonst da.
Das Licht war spärlich, fast unauffällig aus einer kleinen Glühbirne, die in einem Drahtkäfig hing. Die Schatten spielten mit den Linien der Wände, während Linn langsam die Stufen hinaufging. Jeder Schritt klang leise wider, als würde sie auf einer Bühne stehen, allein und doch beobachtet von unsichtbaren Zuschauern.
Linn war hier, um der Hektik des Tages zu entfliehen. Sie wollte einfach nur sitzen, das Knarren der Treppe hören und die Kälte spüren, die sie wach hielt. Es war eine Entscheidung ohne Ziel, ein Gedanke der Unbestimmtheit—ein Rückzug in einen vergessenen Teil der Welt.
Bevor sie die mittlere Ebene erreichte, hielt sie inne, setzte sich auf die kalten Stufen und lehnte ihren Kopf gegen die Wand. Ihr Atem bildete kleine Wolken in der kühlen Luft, die langsam verschwanden. Sie fühlte sich allein, aber nicht einsam, ein seltsames Gefühl der Geborgenheit in der Stille dieses Ortes.
Die vorbeiziehenden Geräusche der Stadt waren fern und gedämpft. Unten im Hof hörte sie ein Kind lachen. Ein Hund bellte in der Ferne. Und dann wieder nichts. Ihr Blick fiel auf die schäbigen Wände, die hier und da von vermutlich Kinderhänden bemalt waren. Es waren kleine Szenen, vielleicht aus vergangenen Wintern, als das Treppenhaus ein geheimnisvoller Spielplatz war.
Linns Gedanken wanderten, und sie bemerkte, wie ruhig dieser Moment war. Es war nicht die Abwesenheit von Geräuschen, die zählte, sondern die Anwesenheit von allem anderen—die Präsenz der Vergangenheit, die zu stillen Zeugen der Gegenwart geworden war. Sie schloss die Augen und ließ die Zeit ohne Eile vergehen. Es war, als hielte das Treppenhaus für sie den Atem an.
Als sie die Augen wieder öffnete, war der Abend weiter hinübergezogen. Sie stand auf, streckte die steifen Beine aus und machte sich langsam auf den Weg nach unten. Die Kälte hatte sich in ihren Mantel gegraben, aber es störte sie nicht. Sie fühlte sich erfrischt, als ob das Treppenhaus ihr etwas von seiner Stille mitgegeben hätte.
Draußen empfing sie der eiskalte Wind, der durch die engen Straßen des Viertels fegte. Doch sie fühlte sich bereit, in die Geschwindigkeit der Stadt zurückzukehren, im Wissen um den stillen Rückzugsort, den sie hinter sich gelassen hatte, in dem niemals mehr gesprochene Geschichten bewahrt blieben. Sie würde zurückkehren, nicht um zu fliehen, sondern um zu finden.
Das Treppenhaus der Vergangenheit war nicht nur ein Ort, an dem Menschen vorbeigingen. Es war ein Raum, der auch ihr gehörte, zur Ruhe einlud und alles überdauerte.




