Tilda und der vergessene Pfad
Vorlesezeit: ca. 12 Minuten
In einer klaren, frühlingshaften Nacht, als der Mond silbern über die hohen Berge schien und der Himmel voller funkelnder Sterne war, saß das kleine Mädchen Tilda auf der Fensterbank ihres Zimmers und blickte zum Zauberberg hinauf. Die kühle Nachtluft strömte herein, duftend nach frisch erblühten Blumen und dem feuchten Erdgeruch des Frühlings.
Tilda liebte diesen Anblick, aber an diesem Abend verspürte sie eine geheimnisvolle Neugierde. Plötzlich hörte sie ein leises Flüstern. Es war ihr Freund Rabe Roko, der elegant auf dem Fensterbrett landete.
“Hallo Tilda”, krächzte Roko liebevoll. “Hast du Lust, mit mir den vergessenen Pfad auf dem Zauberberg zu erkunden? Man sagt, dort gibt es Wunder zu entdecken!”
Tildas Augen weiteten sich vor Freude. “Was für Wunder könnten das sein?” fragte sie gespannt. Roko zwinkerte geheimnisvoll. “Das weiß man erst, wenn man es selbst gesehen hat!”
So zog Tilda ihren Mantel über und die beiden Freunde machten sich leise auf den Weg. Die Nacht war erfüllt vom zarten Zirpen der Grillen und dem gelegentlichen Ruf einer Eule. Der weiche Pfad unter ihren Füßen glänzte leise im Mondlicht.
Als sie den Fuß des Zauberbergs erreichten, empfing sie ein kleiner Wichtel namens Elmar. Sein Gesicht strahlte vor Neugier. “Ich habe von eurem Vorhaben gehört,” piepste Elmar und sein rotes Mützchen wippte munter, “ich kann euch den Weg zeigen!”
Gemeinsam stiegen sie den geheimen Pfad hinauf, der von zarten Glühwürmchen gesäumt war, die wie kleine, fliegende Sterne in der Dunkelheit leuchteten. Der Wind spielte sanft in den Blättern, und der Berg erzählte Geschichten von alten Zeiten.
„Hier oben,“ sagte Elmar leise, „kann man die Stimme der Sterne hören.“ Tilda hielt inne und lauschte konzentriert. Ein leises, melodisches Summen erfüllte die Luft, wie das Lied eines versteckten Chores. Ihre Neugierde war geweckt, und ihr Herz erfüllte sich mit einem warmen Kribbeln.
Nachdem sie eine Weile gelaufen waren, kam das Trio zu einem kleinen Plateau, von dem aus sie weit über das Land blicken konnten. Der Sternenhimmel breitete sich wie ein funkelnder Teppich über ihnen aus. Roko und Elmar setzten sich neben Tilda. „Willkommen auf dem vergessenen Pfad,“ flüsterte Elmar voller Stolz.
Tilda fühlte die Magie des Augenblicks unter ihrer Haut prickeln. Sie verstand nun, warum die Sterne Menschen immer wieder in ihren Bann ziehen. Es war, als würde man alte Freunde treffen, die von fernen Wundern flüsterten.
Die Zeit verging, und langsam kroch das erste Licht der Morgendämmerung über den Horizont. Sonnenstrahlen küssten die Gipfel und tauchten den Berg in weiches, goldenes Licht. Tilda war glücklich und müde zugleich. Es war ein Abenteuer voller kleiner Wunder gewesen, die sie mit ihren Freunden geteilt hatte.
„Danke, dass ihr mit mir gekommen seid,“ sagte sie leise zu Roko und Elmar. Die beiden lächelten und kniffen die Augen kurz zu, als Antwort, voller Zustimmung.
Langsam machten sie sich auf den Rückweg, begleitet von den ersten Morgenvögeln, die nun ihr Lied anstimmten. Tilda wusste, dass sie nie vergessen würde, was sie erlebt hatte. Die Sterne und der Zauberberg würden immer ein besonderer Ort in ihrem Herzen bleiben.
Zuhause angekommen, kuschelte sich Tilda zufrieden in ihr Bett. Die Morgensonne malte goldene Muster an ihre Wände und wiegte sie sanft in den Schlaf. In ihren Träumen spielte sie mit Roko und Elmar auf den funkelnden Pfaden des Zauberbergs.
Und so endete eine Nacht voller Wunder in der Wärme eines neuen Morgens.




