Unter Neon und Oliven
Das leise Summen der Neonröhren hing über den Regalen, die prall gefüllt waren mit exotischen Gewürzen, eingelegtem Gemüse und Flaschen von siamesischem Olivenöl. Mina fuhr mit den Fingerspitzen an der mattierten Glasoberfläche der Theke entlang und versuchte, die Ruhe der Nacht in sich aufzunehmen.
„Noch eine Stunde“, murmelte sie und sah durch die Schiebetür, die zum kleinen Innenhof führte. Der Sommerabend zog seinen samtigen Schleier über die Stadt, und eine kaum spürbare Brise schlich durch die Gassen.
Faris hatte im Hinterzimmer mit dem Auspacken der neuen Ware begonnen. „Mina, die neuen Oliven sind da! Willst du probieren?“ Seine Stimme war einladend, fast herausfordernd.
Mina lächelte, während sie ihre Schürze abstreifte und den Raum durchquerte. Faris war ein Meister darin, die Atmosphäre mit seiner Leidenschaft für gutes Essen aufzuhellen, und sie genoss es, in seiner Nähe zu sein.
„Natürlich. Welche Sorte ist es diesmal?“ Ihre Augen funkelten, als sie sich ihm näherte und die glänzenden grünen Früchte in der offenen Kiste betrachtete.
„Kalamata, extra gereift“, erklärte Faris mit einem Augenzwinkern, bevor er seine Hand ausstreckte, um ihr eine Olive zu reichen. Seine Finger berührten ihre Handfläche, und ein kurzer, elektrisierender Augenblick bundelte sich zwischen ihnen.
„Die sind unglaublich“, sagte sie, nachdem sie auf der salzigen Haut gekaut hatte und die Aromen von Sonne und Erde sich auf ihrer Zunge entfalteten.
Die Uhr tickte laut in der Stille des Ladens. Faris begann, die neuen Oliven zu sortieren, während Mina ihm die Belege reichte, die verbucht werden mussten. Die Routine der Aufgaben wurde von der sanften Intimität ihrer Nähe durchdrungen, einer unausgesprochenen Sprache der Blicke und Nuancen.
„Weißt du“, begann Faris mit einem Lächeln, das seine Worte schmückte, „manchmal frage ich mich, was die Leute von unseren armenisch gewürzten Bohnen halten. Ein Rezept meiner Großmutter.“
Mina lachte, ein warmer, klarer Klang im Raum. „Ich habe gehört, sie sind einer der Geheimtipps der Feinkostabteilung.“
Der Laden war klein, der Vorrat begrenzt, aber genau das machte ihn so besonders. Hier fanden nur die ausgewählten Stücke ihren Raum. Der Tisch stand an der Wand, gerade groß genug für zwei übermüdete Mitarbeiter, die gemeinsam ihre Pause teilten.
„Nächste Woche soll es heiß werden“, stellte Faris fest, als er seine Gedanken laut werden ließ und den Rest seiner Oliven in eine Schale legte. Er hob eine Kerze vom Regal, zündete sie an, und die Flamme warf tröstliche Schatten über ihre Gesichter.
Mina nickte. „Ich freue mich auf den Sommerregen. Dann duftet alles hier nach Zitrusfrüchten und frischen Kräutern.“
Eine Stunde verging im Flug, überflutet von Momenten des stillen Einverstandenseins und gemeinsamer Erinnerungen. Da war Hitze in der Luft und doch Kühlung in ihrer Freundschaft, die nirgends klarer spürbar war als in diesen ruhigen, ungestörten Nächten, wenn der Laden nur ihnen gehörte.
„Wir sollten schließen“, sagte Mina und stand auf, den Schlüssel in ihrer Hand drehend. Ihre Stimme war fest, und doch war da ein Anflug von Bedauern in der Luft.
Faris neigte den Kopf, als um die letzte Ecke des Tresens tappte. „Die Welt gehört uns morgen wieder.“ Seine Stimme hatte den Anklang einer Verheißung, die von der lauen Sommernacht getränkt war.
Zusammen löschten sie das Licht. Der Neonbann verflüchtigte sich, und das Mondlicht übernahm die Szene, als sie den kleinen Innenhof betraten. Die Nacht umarmte sie, als sie die Türen hinter sich schlossen und in die schlummernde Stadt hinaustraten.
Mina sog die warme, friedvolle Luft ein. Eine Seite ihres Herzens war erfüllt von Dankbarkeit und die andere von einer leisen, unausgesprochenen Sehnsucht.




