Wie Regentropfen Geschichten erzählen
Es war ein sanfter Sommernachmittag, als der kleine Junge Tommy durch den Laubwald spazierte. Die Luft war warm, ein wenig feucht, und die Blätter um ihn herum glitzerten im weichen Licht der Sonne, die sich hinter dicken Regenwolken versteckt hatte. Tommy liebte es, durch den Wald zu streifen, vor allem, wenn es regnete, denn dann, so fand er, hatte der Wald viel mehr zu erzählen.
Plötzlich hörte er ein leises Geräusch, ein Rascheln und Flattern, wie von einem großen Paar Flügel. „Hallo, kleiner Tommy“, rief eine wohlbekannte Stimme von oben. Es war Franzi, die freundliche Eule mit den großen, weisen Augen. „Was machst du hier im Regen?“
„Ich lausche dem Wald“, antwortete Tommy lächelnd. „Die Regentropfen erzählen immer die besten Geschichten.“
Franzi nickte weise. „Da hast du recht. Weißt du, viele überhören die Musik, die die Natur macht. Dazu gehört eine aufmerksame Seele.“
Während sie sprachen, hüpfte ein kleiner grüner Frosch fröhlich zwischen Tommys Füßen hervor. Es war Pip, der Frosch, der den Regen ebenso liebte wie Tommy. „Lasst uns die Melodien des Regens suchen!“ quakte er begeistert und machte sich auf, von einem großen Blatt zum anderen zu springen.
Tommy folgte ihm, während die ersten Tropfen vom Himmel fielen. Sanft prasselten sie auf die Blätter und erzeugten ein leises Pling-Plang, das sich wie die feine Melodie eines geheimnisvollen Liedes anhörte. Das Geräusch wärmte Tommys Herz.
„Hört ihr das?“, fragte Tommy die anderen, während er innehielt, um den Klang zu genießen. „Es ist, als ob der Wald Geschichten von Abenteuern und Geheimnissen flüstert.“
„Regen ist nicht nur nass, er ist voller Klang und Leben“, sagte Franzi, während sie ihren Kopf zur Seite neigte, um noch aufmerksamer zu lauschen. „Jeder Tropfen hat eine eigene Geschichte zu erzählen.“
Sie gingen weiter, leise und ohne Hast, und lernten die feinen Unterschiede im Klang zu schätzen: Die dicken Tropfen, die schwer auf die Blätter fielen, klangen kräftig und tief, während die leichten Tropfen auf dem Gras einen zarten Takt hielten. Es war wirklich eine Symphonie der Natur.
Pip hüpfte fröhlich von Pfütze zu Pfütze, zog mit seinen Sprüngen Kreise, die im Wasser tanzten. „Seht! Auch das Wasser tanzt!“ rief er, während seine nasse Haut im Sonnenlicht schimmerte, das nun zaghaft durch die Wolken brach.
Tommy fühlte sich geborgen in diesem Takt der Natur, in dem zarten Zusammenspiel der Tropfen und des Windes, der die Blätter sanft hin und her wiegte. Es war, als ob das ganze Universum ihm eine Gute-Nacht-Geschichte erzählte.
Langsam, als der Regen nachließ, zog ein sanfter Dunst durch den Wald. Der erdige Duft des Nassen stieg in die Luft und vermischte sich mit dem frischen Aroma von nassen Blättern. Tommy sog den Duft ein und fühlte, wie er ihn umhüllte und beruhigte.
Sie setzten sich unter einen großen, alten Baum, dessen Blätter noch immer leise tropften. „Ich dachte immer, Geschichten kommen nur aus Büchern,“ murmelte Tommy mit einem glücklichen Lächeln. „Aber heute habe ich gelernt, dass man sie auch hören kann, wenn man genau zuhört.“
Franzi nickte sanft. „Die Welt spricht mit uns, Tommy. Und sie erzählt die wunderbarsten Geschichten.“
Mit einem tiefen Atemzug schloss Tommy die Augen. Die Klänge des Waldes und die leisen Tropfen lüllten ihn in einen friedlichen Schlummer. Seine Freunde setzten sich still zu ihm, während die Dämmerung einfiel und das Konzert der Abendklänge begann. Fern im Walde rief ein Vogel, und das laute Quaken eines versteckten Frosches rief zurück.
„Schlaf gut, kleiner Tommy“, flüsterte Franzi, während sie mit ihren weichen Flügeln über sein Haar strich. Pip kletterte auf seinen Schoß und schaute zu, wie die ersten Sterne am Himmel aufleuchteten.
Und so träumte Tommy, umgeben von der zarten Musik der Nacht, getragen von den sanften Klängen des Sommerregens, die ihm Geschichten von Morgen und Gestern erzählten.
In dieser Nacht verstand Tommy: Wer hinhört, hört Geschichten. Und er wusste, dass er nie allein sein würde in der großen, erzählenden Welt um ihn herum.




