Zwei Bildschirme, ein Herz
Mara saß in ihrer Stadtwohnung, das weiche Licht der Nachmittagssonne fiel durch die weißen Gardinen ihres Wohnzimmers und tanzte auf ihrem Laptopbildschirm. Es war ein heißer Sommertag, einer jener Tage, die den Asphalt zum Flimmern bringen und die Vögel dazu veranlassen, sich in die schattigen Teile der Stadt zurückzuziehen. Sie hatte ihre Haare locker hochgesteckt, um etwas der Hitze zu entkommen, während sie auf den Bildschirm starrte, wo ihr heutiges Meeting stattfand.
Felix erschien pünktlich im virtuellen Raum, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Seine kurze, dunkle Haarpracht harmonierte gut mit dem schlichten T-Shirt, das er trug. „Hallo zusammen“, sagte seine sanfte Stimme durch die Lautsprecher. „Ich hoffe, euch geht’s gut, trotz der Hitze.“
Mara erwiderte das Lächeln, ein wenig verlegen wie immer, wenn sie seine Stimme hörte. In den vergangenen Wochen hatten sie gemeinsam an einem Projekt gearbeitet, wobei die professionelle Distanz allmählich einer seltsamen Vertrautheit gewichen war. Jede kleine Anekdote wurde zu einem kostbaren Moment, jedes zufällige Gespräch zu einem Fenster in eine andere Welt. Felix schien stets Optimismus auszustrahlen, eine Qualität, die Mara an diesem dunklen, gefühlt endlosen Pandemie-Sommer schätzen gelernt hatte.
Das Meeting verlief ohne große Überraschungen. Ein paar Zwischenfragen, einige zustimmende Nicken, und der Alltag zog weiter, wie auch die Sonne langsam tiefer sank. Doch bevor sie das virtuelle Büro verließen, hielt Mara Felix noch kurz zurück.
„Hey, ich wollte dir nur noch mal danke sagen“, sagte sie zögernd. „Für alles. Es ist nicht selbstverständlich, so jemanden wie dich in solchen Zeiten zu haben.“
Felix lächelte in die Kamera, seine Augen strahlten durch das Glas auf eine Weise, die den Raum zu erhellen schien. „Danke, Mara. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Lass uns gerne auch mal einfach so schnacken, ohne Meeting. Wie klingt das?“
Und so entwickelte sich im Laufe der Wochen aus der zunächst geschäftlichen Verbindung eine zarte Freundschaft, aufgebaut aus gemeinsamen Abenden, die in stundenlangen Videogesprächen über Vergangenes und Zukünftiges verbracht wurden. Mara fühlte sich plötzlich weniger allein, inmitten der Stille ihrer Stadtwohnung, die Sonne wurde zu ihrem Verbündeten, als sie weiterhin hingebungsvoll durch ihre Fenster schien und den Raum mit Wärme füllte.
„Erinnerst du dich an den Sommer vor zwei Jahren?“, fragte Felix eines Abends, als sie beide fast den Sonnenuntergang verpasst hätten vor lauter Reden. „Da habe ich mit meinen Freunden eine Wanderung gemacht. Es war meine erste und bisher auch letzte, aber es war wunderschön.“
Mara lachte leise. „Genau in dem Sommer habe ich beschlossen, nicht mehr zu wandern, weil ich Höhenangst habe. Aber ich liebe die Vorstellung vom Abenteuer.“
Der Austausch solcher Erinnerungen, kleiner und großer, brachte eine Wärme, die all gegenwärtige Bildschirme vergessen ließ. Monate vergingen, und der Sommer drängte in den Herbst überzugehen.
Eines Tages, nachdem der Tag sich dem Ende zuneigte und die Lichter der Stadt ihre schicken Muster auf den Straßen zogen, beschloss Felix, seinen Mut zusammenzunehmen. „Mara“, sagte er, ein Hauch von Aufregung in der Stimme, „ich weiß, wir haben uns noch nie richtig getroffen, aber ich würde dich gerne persönlich kennenlernen. Was hältst du von einem Spaziergang im Park nächste Woche?“
Maras Herz klopfte spürbar schneller. „Ja, das würde mich freuen“, sagte sie, und in diesem Moment klang ihr Ja wie ein Versprechen an einen neuen Abschnitt, sowohl für ihren Alltag als auch für die unbekannten Möglichkeiten, die darin verborgen lagen.
Der Tag kam, die Sonne immer noch stark, aber mit einem Hauch von Herbst frisch in der Luft. Mara und Felix trafen sich an einem ruhigen Ort im Park, die Bildschirme zwischen ihnen endlich verschwunden, und ein echtes, echtes Lächeln begrüßte den jeweils anderen.
„Es ist wirklich schön, dich endlich persönlich zu sehen“, sagte Felix, als sie zusammen einen laubbedeckten Weg entlang schlenderten. Ihr Leichtsinn und Lachen hallte durch den dichten Baumsaum, wurde von der friedlichen Natur umarmt.
„Ja“, antwortete Mara, „ich fühle mich, als hätten wir uns schon lange gekannt, obwohl das doch alles gerade erst real geworden ist.“
Und so verbrachten sie den Tag miteinander, als würde sie ein unsichtbares Band verbinden, das stärker war als jede technische Verbindung. Auch als die Dämmerung eintrat und sie sich schließlich voneinander verabschiedeten, fühlte sich nichts danach an, fern oder anderweitig getrennt zu sein.
Die Echos ihrer Gespräche und die Wärme ihrer Anwesenheit blieben in Maras Herz hängen. Und als sie zu ihrer Wohnung zurückkehrte, die Lichter der Stadt tief in der Nacht glühten, wusste sie, dass es nicht die Bildschirme waren, die ihre Nähe ermöglicht hatten, sondern vielmehr das, was dahinter lag – zwei Herzschläge moderner Zeiten, die schließlich ihren gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten.




