Zwei Hände im Schneegestöber
Die Innenstadt war in eine dicke Schneedecke gehüllt worden. Der Schnee fiel mit bedächtiger Leichtigkeit, unermüdlich und lautlos, tanzte um Laternen und verschluckte die Stadtgeräusche. Die Menschen stapften missmutig durch das dichte Weiss, die Gesichter halb verborgen unter Mützen und Schals.
Sophie fröstelte, obwohl sie wussten, dass sie zum Mittagessen verabredet war, hatte sie noch einen Umweg gemacht. Etwas Suchendes trieb sie hinaus, weg von der Wärme ihres Büros.
Am Zebrastreifen überquerte sie die Straße, sich bemühend, die eisigen Böen zu ignorieren, die ihre freche Locken aus der Mütze zogen. Es war, als ob der Schnee die Zeit verlangsamte und die klirrende Kälte ein Gefühl von unsichtbarer Nähe erschuf.
Da bemerkte sie die Hand, die sich unsicher nach ihrer streckte. Einen Moment später stand Eren ihr gegenüber, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, Schneeflocken blitzen auf seiner schwarzen Jacke. Sein Lächeln war einladend und warm.
“Entschuldigung”, sagte er leise. “Darf ich?”
Die Frage hing zwischen ihnen und das Schneegestöber formte einen stillen Kokon um sie herum. Sophie nickte, erstaunt über ihre eigene Kühnheit.
Seine Hand lag in ihrer, als ob das Gegenteil nicht zuträfe. Wie jeder Schritt auf verschneitem Boden trug dieser Moment ein zartes Gewicht, etwas Fragiles und doch sicher.
Über den Zebrastreifen hinweg, durch die nebeneinander liegenden Fußstapfen, wurden sie ein Teil des Stadtbildes und doch völlig abgeschnitten von der Hektik ringsum.
“Ich heiße Eren,” sagte er, als sie die andere Seite erreicht hatten, und hielt ihre Hand noch immer.
“Sophie,” antwortete sie, ein kleiner, verschwörerischer Funke in ihren Augen.
Der Schnee strudelte wirbelnd um sie her. Es war, als wäre die Welt für einen Herzschlag ausgedörrt und übervoll zugleich, die Luft nicht aus Atem, sondern aus ungesagten Worten gefüllt.
Sie lachten über die Banalität ihres zufälligen Treffens, über die Kälte, die doch so viel mehr zwischen ihnen entstehen ließ.
Als die Zeit schrittweise zum Bewegen aufforderte, trennten sich ihre Wege mit dem Versprechen einer Wiederkehr; eine Einladung in seine Wärme und der tauenden Frische einer Bahnhofsbank im Schneegestöber. Er hinterließ eine Spur im Schnee, die sie nie ganz vergessen würde.
Die Stadt blieb so, wie sie war — still und glitzernd in der Wintersonne. Doch für Sophie hatte sie ihre Grausamkeit ein wenig verloren, gegen ein weicheres Licht getauscht.




